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KOMPAKT 2/2013
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Inklusion durch Exklusion
Väter und ihre behinderten Kinder in der Kita
A N D R E A S H E E K
Referent für Männerpastoral und Ehe-
und Familienpastoral im Erzbischöfichen
Generalvikariat
Väterarbeit in Kitas gehört mittlerweile
zum „Geheimtipp“ in der Pädagogik der
frühenKindheit. Bindungserfahrungender
Kinder mit ihren Vätern werden weithin
als ebensowertvoll undwichtig angesehen
wie die mit der Mutter. In vielen Einrich-
tungen fnden regelmäßig Väter-Kinder-
Veranstaltungen statt, die besonderen
Wert darauf legen, „exklusiv“, d.h. als
„frauenfreie Zone“ gestaltet zu werden.
Väter – so dieThese (und viele Erfahrun-
gen sprechen für die Richtigkeit dieser
These) – können sich besser öffnen, frei-
er experimentieren und sich von anderen
„Mitvätern“ etwas abschauen, wenn sie
unter sich sind, in konkurrenzfreier At-
mosphäre und ohne die strengen Blicke
der oftmals in der Kinderbetreuung ver-
sierterenMütter.Hier stellt sich zunächst
nicht die Frage, ob dieseAngebotsformen
inkludiert werden sollen. Sicher gibt es
Gelegenheiten, Erfahrungen als ganze
Familie zu machen, aber die Väter-Kin-
der-Arbeit hat ihren eigenen Stellenwert.
Unter der Perspektive der Inklusion bleibt
möglicherweise folgender weitergehender
Gedanke vielleicht nicht unwidersprochen,
und doch soll er hier thesenartig skizziert
werden.
Diskussionsanstoß
Die These lautet:Väter behinderter Kin-
der brauchen in besonderer Weise einen
zunächst geschützten, „exklusiven“Raum,
um ganz eigene Erfahrungen mit ihren
behinderten Kindern in einer Gruppe
machen zu können. Immer noch sind es
überwiegend Frauen, die in der Betreu-
ung und Frühförderung zu Fachleuten in
Sachen Behinderung und Rehabilitation
ihrer Kinder werden,weil sie fast alle För-
derungsmaßnahmen inAnspruch nehmen
und begleiten. Selten enden die Frühför-
dermaßnahmen z.B. nach Dienstschluss
der Männer amNachmittag, sondern vor-
mittags und am frühen Nachmittag, weil
man davon ausgeht, dass Mütter – wenn
überhaupt –Teilzeit arbeiten.Aus diesem
Grund haben viele Väter relativ wenige
Erfahrungen mit ihren Kindern, und des-
halb plädiere ich für die Einrichtung und
Weiterentwicklung von Konzepten, die
Vätern zusammen mit ihren behinderten
Kindern einen eigenen Raum bieten, sich
auszuprobieren und sich untereinander
auszutauschen über die eigenen Erfah-
rungen, Freude und Sorgen miteinander
zu teilen.
„Väter behinderter Kinder brauchen […]
einen zunächst geschützten, „exklusiven“
Raum, um ganz eigene Erfahrungen mit
ihren behindertenKindern in einer Grup-
pe machen zu können!“
Vater als zweite Bindungsperson
Darüber hinaus lehrt die moderne Bin-
dungsforschung, dass nicht nur die frü-
he Bindung zwischen Mutter und Kind
ein entscheidender Entwicklungsfaktor
für das Kind ist, sondern auch die zur
zweiten Bindungsperson. In der Regel
ist dies der Vater. Beide Bindungsperso-
nen helfen nicht nur, die Entwicklung des
Kindes zu fördern. Gelingt die Bindung
zwischen Müttern und Vätern zu ihrem
behinderten Kind, die oftmals durch die
Schockverarbeitung verzögert sein kann,
gelingt auchdieBewältigung des kritischen
Lebensereignisses, das die Behinderung
des Kindes zunächst darstellt.
Es braucht Gelegenheiten und einen ge-
schützten Raum, in dem die Coping-Ver-
arbeitung möglich wird.Veranstaltungen
mit Vätern und für Väter sind eine gute
Möglichkeit, diesen Prozess behutsam zu
begleiten.
Vater-Kind-Aktionen
DerAutor verfügt über Erfahrungen mit
Vater-Kind-Aktionen fürVäter behinder-
ter Kinder in Kooperationmit einer Früh-
fördereinrichtung in Köln.Die freizeitori-
entiertenAngebote werden in der Regel
gut von denVätern angenommen,weil die
Schwelle der Motivation da ansetzt, wo
Väter ihren „wunden Punkt“ erkennen:
Sie fühlen, dass sie zu wenig Zeit für ihre
Kinder haben. Bei solchenVeranstaltun-
gen entsteht eine entspannteAtmosphäre
untereinander und die Identifkation mit
der Frühfördereinrichtung wird gestärkt.
So können Väter sich kennenlernen und
austauschen, und die Regelmäßigkeit der
Angebote schafft Gelegenheiten, sichwie-
derzusehen und Beziehungen zu pfegen.
Dies ist umso bedeutsamer, je mehr man
bedenkt,dassVäter viel weniger alsMütter
über ein soziales Netzwerk ähnlichBetrof-
fener verfügen.Die Begegnung derVäter
untereinander schafft die Basis für solche
„Väternetze.“
„Es ist sehr zu begrüßen,wenn behinderte
Kinder zusammen mit nicht-behinderten
Kindern in einer Einrichtung betreut wer-
den.“
Andererseits hilft den Vätern, intensi-
ven Kontakt mit dem eigenen Kind zu
haben, Zeit mit ihm zu verbringen und
beziehungsrelevante Aktivitäten auszu-
A N D R E A S H E E K