Page 4 - caritas-aktuell-3-13

This is a SEO version of caritas-aktuell-3-13. Click here to view full version

« Previous Page Table of Contents Next Page »
c a r i t a s
a k t u e l l
3 / 2 013
4
Suchtkrankenhilfe
Birgit Herrmann
Rheydter Str. 176, 41460 Neuss
Tel. 02131/889-175
birgit.herrmann@caritas-neuss.de
Haus der Hoffnung
kam. Inzwischen ist Semkow 48 – und
um viele Hoffnungen ärmer. Aber im-
merhin hat er wieder eine Perspektive.
Die hängt ganz entscheidend mit seiner
neuen Adresse zusammen. Semkow lebt
seit einigen Wochen in der Josefstraße 9 in
Neuss. Dort teilt er sich mit einem Mitbe-
wohner eine Zwei-Zimmer-Wohnung.
Er hat sich stabilisiert. Er kann seinen
Alltag gestalten, kommt mit seinen Mitbe-
wohnern und den Nachbarn gut klar. Gele-
gentlich schaut er im Ons Zentrum, dem
alkoholfreien Treff, vorbei und nutzt eines
der zahlreichen Freizeitangebote. Das alles
klingt unspektakulär, doch für Semkow ist
es ein großer Erfolg. Denn er hat eine hef-
tige Drogenkarriere hinter sich. Schon we-
nige Jahre nach der Ankunft in Deutsch-
land wurde Semkow massiv abhängig. Er
brachte mehrere Therapien und Entzüge
hinter sich – meist ohne nachhaltigen Er-
folg.
Doch jetzt hat er eine echte Chance.
Sein bisheriges Umfeld, in dem Dro-
gen- und Alkoholkonsum allgegenwär-
tig war, hat er verlassen.
An der Josef-
straße 9 hat er eine neue Heimat –
und eine Zukunftsperspektive – ge-
funden. Sandra Coenen ist seineAn-
sprechpartnerin vor Ort. Die Sozial-
arbeiterin kümmert sich mit ihrer
Kollegin Claudia Schiefer um die
sieben Klienten, die hier imBetreu-
tenWohnen leben werden.
Die Re-
novierungsarbeiten sind inzwischen
so gut wie abgeschlossen. Vier Woh-
nungen, geräumig und hell, stehen
zur Verfügung. In der Regel teilen
sich zwei Klienten eine Wohnung.
Jeder hat ein eigenes privates
Zimmer. Küche, Bad sowie ein
Aufenthalts- und Essraum wer-
den gemeinsam genutzt.
„Wir haben diese Hilfe in-
stalliert für Klienten, die absti-
nent leben wollen, aber kon-
krete Unterstützung in derAll-
tagsbewältigung brauchen“,
erklärt Birgit Herrmann von
der Caritas-Fachambulanz für Sucht-
kranke.
Die Josefstraße 9 ist ein weiterer
Baustein im Hilfesystem des Caritasver-
bandes. Es bietet einen weniger intensiven
Umfang an Hilfen wie das Haus am Stadt-
park, in dem eine Rund-um-die-Uhr-Be-
treuung für die Klienten gewährleistet ist.
Es bietet aber wiederum deutlich mehr An-
Alexander Semkow (Name geändert)
wird viele Erwartungen, Hoffnungen
und Träume gehabt haben, als er mit 19
Jahren aus Russland nach Deutschland
leitung und Hilfe als beispielsweise eine
ambulante Beratung.
„Eine gewisse Stabilität ist wichtig“,
sagt Sandra Coenen. Denn in der Josefstra-
ße 9 gilt ein Grundgesetz: „Hier ist ein tro-
ckener Raum.“ Abstinenz ist zwingende
Voraussetzung – sowohl, um die eigene
Perspektive als auch die der Mitbewohner
nicht zu gefährden. Darum wird Abstinenz
regelmäßig überprüft – durch Atem oder,
falls nötig, durch Urinkontrollen. Wer auf-
fällt, muss sofort wieder zur Abstinenz zu-
rückkehren, in aller Regel mit Hilfe einer
stationären Entgiftung – auch damit sich für
die Mitbewohner kein Suchtdruck aufbaut.
Die Mietverträge gelten immer für ein
halbes Jahr. Sie werden verlängert, wenn
der Bewohner noch nicht so weit ist, den
nächsten Schritt zu machen. Damit dieser
Schritt gelingt, sind Sandra Coenen und
Claudia Schiefer da. Zusammen mit ande-
ren Kollegen bieten sie Rat und Unterstüt-
zung an. In der Regel gibt es mindestens
zwei Mal proWoche ein Gespräch, zumTeil
auch in Gruppenform. Jeder Klient hat ei-
nen festenAnsprech
partner, der eine Prä-
senz im Haus hat. Ziel ist es, eine stabile
Abstinenz zu erreichen, Selbstständig-
keit im Umgang mit den Problemen und
Herausforderungen des Alltags, eine
sinnvolle Freizeitgestaltung, verlässliche
soziale Beziehungen und geordnete fi-
nanzielle Verhältnisse.
Wenn das gelingt,
ist der nächste Schritt denkbar: eine eigene
Wohnung mit Fortsetzung der Betreuung,
eventuell in Verbindung mit einer Beschäf-
tigungsmaßnahme, die der Caritasverband
zum Beispiel in den Caritas-Kaufhäusern
oder Radstationen anbietet.
Alexander Semkow könnte dafür ein Kan-
didat sein. Es sind vielleicht nicht mehr die
gleichen – aber Erwartungen, Träume und
Hoffnungen hat er immer noch.