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KOMPAKT 1/2014
35
I M P U L S E
Alles kleine Machos!?
Bericht aus einer Fortbildung
Der Weg zu Jungen führt über die eigene
Haltung ihnen gegenüber und über die
Refexion eigener Jungen- und Männer-
bilder. Methoden sind dann „nur noch“
die Instrumente, mit denen ein guter Kon-
takt und ein passendesAngebot umgesetzt
werden können.
Dies war der inhaltlicheKern der zweitägi-
gen Fortbildung „Alles kleineMachos!?“.
Darüber,was Jungen brauchen undwie sie
sind, ist in den vergangenen Jahren eine
öffentliche Debatte entbrannt. Erziehe-
rinnen wird vorgehalten, dass sie Jungen
nicht verstehen und nicht angemessen
unterstützen. Mehr männliche Erzieher
sollen Jungen besser fördern.
Anlässe, über Jungen zu sprechen und sich
mit ihnen zu beschäftigen, sind inderRegel
negativ konnotiert:
c
Jungen lernen in der Kita nicht so gut
schreiben, malen oder basteln wie
Mädchen und münden nicht mit der
gleichen feinmotorischen Qualifkati-
on wie Mädchen in der Grundschule
ein,was zu kritischenRückmeldungen
aus den Schulen an die Kitas führt
c
Jungen fallen auf durch lautes und ag-
gressives Benehmen, sie machen den
Kita-Alltag schwer und anstrengend.
Die Diskurse um Jungen in der Kita sind
negativ gefärbt und lassen wenig Raum
für denBlick auf Stärken und ihre liebens-
würdigen Seiten. Jungen gelten schnell als
Problemfälle und selbst die, die leise und
sozial angepasst sind, werden unter die
„Rüpelbilder“ subsumiert.
Typische Jungenbilder stark verzerrt
Diese Debatten führen aber nicht zu
einer angemessenen Erziehung kleiner
Jungen in der Kita. Vielmehr gilt es, den
Blick auf Jungen selbst zu richten, auf ihre
Vielfalt, ihre Wünsche und Bedürfnisse,
ihre Kompetenzen und die Bandbreite
der Selbstinszenierungen von Jungen.Der
Weg zumangemessenen und förderlichen
Umgang mit Jungen geht dabei über die
Überprüfung der eigenenHaltung und der
eigenen Jungen- und Männerbilder. Auf
dieser Grundlage können dannRäumlich-
keiten sowie Spiele und Spielangebote
dahingehend überprüft werden, ob sie
jungengerecht ausgestaltet sind.
DieseThemenwarenDiskussions- undRe-
fexionsgegenstand der zweitägigen Fort-
bildung im Rahmen des MAIK-Projekts
des Diözesan-Caritasverbandes für das
Erzbistum Köln. Die vierzehn Teilneh-
merinnen und dreiTeilnehmer setzten sich
am ersten Tag mit eigenen Jungenbilder,
mit öffentlichen Jungenbildern und ihren
Wirkungen auf die eigenen und die Bilder
von Jungen imHeranwachsenauseinander.
Dabei wurden insbesondere die einseiti-
gen, auf Coolness und Stärke ausgerich-
teten Jungenbilder thematisiert, die über
Spielzeug,Bücher, Filme undKleidung an
Jungen herangetragen werden. Somüssen
sich bereits kleine JungenmitAnforderun-
gen auseinandersetzen,diewenig altersad-
äquat sind und die ihre Entwicklung stark
einschränken.Malen und basteln sie gerne
oder fnden gar Kleider und lackierte Nä-
gel eine tolleVerkleidung,dannmüssen sie
mit Repressionen rechnen: ein „richtiger“
Junge tut so etwas eben nicht.Gleichzeitig
wird die ihnen angetragene, wilde Welt
aber auch schnell als störend empfunden,
wenn kleine Jungen sie für sich – wie von
ihnen erwartet – adaptieren: dann sind
sie zu laut, zu aggressiv, zu auffällig, zu
störend. Kaum können sie es also richtig
machen,eingezwängt zwischen klassischen
MännlichkeitserwartungenundReglemen-
tierungen, sobald sie diese übernehmen.
Fülle von Praxistipps erhalten
Lösungen liegen in einer grundlegen-
den Reflexion des eigenen Handelns,
der eigenen Geschlechterbilder und der
Angebote in der Kita und in dem Kon-
zept der Vielfalt: Jungen müssen nicht zu
leidenschaftlichen Bastlern und Malern
vonTiermotiven werden; sie müssen nicht
mit Puppen oderVater-Mutter-Kind spie-
len, sich in Prinzessinnenkostüme werfen
oder Seilchenspringen. Aber sie müssen
dieGelegenheit bekommen, das auch aus-
zuprobieren, ohne dass sie als „Mädchen“
tituliert werden.Und sie müssen genau so
bestärkt werden, wenn sie solche Spiele
bevorzugen, wie wenn sie toben, Fußball
spielen oder Piraten sind. Es geht darum,
Weltentrennungen zwischenMädchen und
Jungen aufzuheben und es geht darum,
Jungen (wie Mädchen) die ganze Welt
zur Verfügung zu stellen und nicht nur
die halbe.
Praktische Möglichkeiten für jedes
Kita-Team
c
dasAufösen von Bauecken zugunsten
offener Spielfächen, auf denen ver-
schiedenste Spielzeuge und Spiele
gemischt werden können
c
Mal- und Bastelangebote, die den Er-
lebniswelten von Jungen aufgreifen
c
Zulassen kämpferischer und körper-
licher Auseinandersetzungen unter
Jungen unter der Vereinbarung von
Regeln
c
Verkleidungsspiele, die Jungen (und
Mädchen) erlauben, sich auch in „un-
typische“ Phantasiewelten zu begeben
c
Jungen- undMädchenbestimmertage,
die beiden Geschlechtern und allen
Kindern erlauben, auch „geschlechts-
untypische“ Spiele zu spielen
c
Jungenpuppenkisten
c
stundenweiser Tausch von Bau- und
Puppenecken
c
Rollenspiele, in denen verschiedenste
Rollen eingenommen werden können
– auch als untypisch geltende.
Wenn wir in der Kita also „diese kleinen
Machos“ schon sehen, dann gelten für
Erzieherinnen und Erzieher folgende
Grundregeln:
c
Lassen Sie sich nicht abschrecken
c
Sehen Sie die Vielfalt unter Jungen
c
Vergessen Sie nicht, dass Sie die Er-
wachsenen sind
c
Erwarten Sie keine „kleinenMänner“
sondern Kinder
c
Bieten Sie Jungen viele verschiedene
Erfahrungen an.
D R . C L A U D I A W A L L N E R
Fortbildungsreferentin