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Kompakt 2/2013
p r a x i s k o n k r e t
Erzieher(in) – ein Spagat
zwischen eigenem Anspruch und
veränderten Realitäten
Dieser Leitspruch von Prof.Dr.W.Fthena-
kis ist die Maxime, an der wir unser pä-
dagogisches Handeln in der täglichen
Lebenswirklichkeit unserer Kindertages-
einrichtung auszurichten haben.
Wir – einTeamvon 13 Erzieherinnen aller
Altersstufen, bunt gemischt von Biogra-
phien,Lebenssituationen,Temperamenten
und Charakteren her.Was uns eint ist die
Liebe zum Kind und der Idealismus, das
„Optimale“ für das einzelne Kind zu su-
chen und im täglichenAlltag umzusetzen.
Ich selber kam als Leiterin dieser Ein-
richtung, in der täglich 87 Kinder Leben,
Bildung und Erziehung erfahren, über
den Umweg eines Studiums zum Beruf
der Erzieherin, als ich die Faszination
kindlicher Entwicklung als junge Mutter
erleben durfte. Spontaner Kurswechsel
war angezeigt und so tauschte ich vor ca.
20 Jahren kurzerhand die Paragraphen
gegen die verantwortungsvolle Mission
eines „Entwicklungsbegleiters der frü-
hen Kindheit“. Denn so ist unser päda-
gogisches Verständnis, als beobachtende,
vomKind lernende und Impulse setzende
Erwachsene.
Ich habe diesen Schritt niemals bereut.
Immer häufger diskutieren wir jedoch
angesichts der rasanten Veränderungen
in der Elementarpädagogik im Team die
Frage:Können wir das „Optimale“ für die
uns anvertrauten Kinder überhaupt noch
gewährleisten?
Begleiten Siemich auf eine kleine gedank-
licheReise ins Jahr 2008 zurück.Das GTK
wich dem KiBiz und mehr Zweijährige
zogen in die Kindergärten ein, mit Span-
nung undVorfreude, aber auch ein wenig
Unsicherheit von uns Erziehern erwartet.
Irritierend war für uns, dass die Gruppen-
größe von 20 Kindern im Verhältnis zur
ehemaligenTagesstättengruppe identisch
blieb - wussten wir doch, dass die Bedüf-
nisstrukturen dieser Kleinen sich massiv
von denen älterer Kinder unterscheiden.
Warum sonst zählte die Budgetvereinba-
rung desGTKdieVergabe eines Platzes an
ein Zweijähriges rechnerisch als 2,5 Plätze
mit der logischen Folge einer Reduktion
der Gruppenstärke?
Behutsam tasteten wir uns also an die ers-
ten Zweijährigen heran, beschränkten uns
auf vier Kinder und gaben zuBeginn „No-
vemberkindern“ als älteren Zweijährigen
gerne denVorzug. Erheblich verlängerte,
sensibel gestalteteEingewöhnungsphasen,
der vorsichtigeAufbau von Bindungen zu
festen Bezugspersonen, ein bewegungs-
orientierter Umbau der Gruppenräume,
dieWeiterentwicklung der pädag.Arbeit
samt Konzeptionsaktualisierung und eine
massiveAusdehnung pfegerischer Zeiten
standen an. Das Kibiz sah ein „Mehr“ an
Fachkraftstunden im Rahmen von ca. 20
Stunden für die Gruppenform I vor.
Im Jahre 2013 sind wir aufgrund des
Rechtsanspruchs und der damit verbun-
denen (nachvollziehbaren) Betreuungs-
nöte der Kommunen inzwischen bei 6
Zweijährigen in Gruppen von 21 bis 22
Kindern mit bis zu 9 Stunden Betreuung
täglich angelangt.
Lassen Sie mich im Rahmen dieses Arti-
kels nur einmal den pfegerischenAspekt
beleuchten und zwar lediglich bezogen auf
den Ausschnitt des Wickelns. Bis heute
wird in der Erzieherausbildung gelehrt,
dassman für eine „Wickelphase“ proKind
im Idealfall etwa eineViertelstunde anset-
zen sollte.Wickeln ist ein sehr intimerVor-
gang, der auf Vertrauen basiert.Wickeln
ist Beziehungsarbeit, die bestenfalls mit
einer vorbereitendenPhaseundeinemaufs
Kind zugeschnittenen Ritual einhergeht,
das der zunehmenden Selbständigkeits-
entwicklung des Kindes Rechnung trägt.
In einer Gruppe mit sechs zweijährigen
Wickelkindern befnden sich in der Re-
gel drei Dreijährige, die gewickelt werden
müssen.Nimmt man seineVerantwortung
für die Kinder ernst und wickelt nach in-
dividuellemBedarf, kann man im Schnitt
mindestens dreimal täglich wickeln. Das
sind bei neunKindernmindestens sieben-
undzwanzigWickelvorgänge,heißt von der
pädagogischen Idealvorstellung her mehr
als 400Minuten täglich allein fürsWickeln!
Dies entspricht fast einer Vollzeitstelle
pro Gruppe. Die zusätzlichen Fachkraft-
stunden, die uns das Kinderbildunggesetz
bescherte, sind allein vomWickelaufwand
her längst nicht ausreichend.
Ich habe dasWickeln als kleinen Bestand-
teil desAlltagsgeschehens ausgewählt, um
zu verdeutlichen,welche praktischeMehr-
arbeit die Schaffung der GruppenformI
mit sich bringt.
Und wieviel „Mehr“ braucht ein
zweijähriges Kind zum gesunden
Aufwachsen, was deutlich über ein
bisschen Wickelzeit hinausgeht?
„Nicht das Machbare ist unser Ziel in der Kindertagesbetreuung, -erziehung und
-bildung.Wir haben stets die Pficht, das „Optimale“ für unsere Kinder zu fordern
und für kindgerechte Lebens-, Bildungs- und Erziehungsbedingungen in den
Tageseinrichtungen für Kinder einzutreten.“