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Kompakt 2/2013
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p r a x i s k o n k r e t
In fast jeder Teambesprechung erörtern
wir das Zusammenspiel von Bedürfnis-
sen des Kindes und daran ausgerichteten
Arbeitsmethoden des Erziehers mit den
ständig gleichen Fragen.Zunehmend blei-
ben wir uns die Antworten schuldig und
hinken unserem eigenen pädagogischen
Anspruch hinterher.
Ich bin in Sorge,Zeugin eines Prozesses zu
werden, in demwichtige pädagogische Er-
kenntnisse schleichend den Bedingungen
einer wirtschafich geprägtenGesellschaft-
struktur zumOpfer gebracht werden.Der
Weg von deutlichenGruppenreduktionen
beiAufnahme einzelner Zweijähriger bis
zurAufnahme von sechs Zweijährigen in
z.T. überbelegte Gruppen hat sich inner-
halb weniger Jahre schleichend vollzogen.
Weitere Erschwernisse der täglichenAr-
beit kommen hinzu.
Nur ein Beispiel sei an dieser Stelle ge-
nannt:
ElterlicheÄngste vor berufichenRepres-
salien häufen sich, wenn Eltern Kinder-
krankheitstage in Anspruch nehmen mit
der Folge, dass Kinder entweder krank
gebracht oder mit der Bemerkung über-
geben werden, der Glaubwürdigkeit hal-
ber sei es von Vorteil, der Kindergarten
melde sich beimArbeitgeber und lasse das
Kind abholen.Was für ein gesellschaftli-
cher Druck auf Familien – weitergeleitet
in die Kindertageseinrichtung! Zu Lasten
des Kindes! Und das in einer Zeit, in der
aufgrund des technischen Fortschritts
in vielen Berufen ein nie da gewesenes
Maximum an fexiblen und nicht ortsge-
bundenenArbeitsmöglichkeiten bestehen
müsste. FamilienfreundlicheArbeitsmo-
dellemüsstenmit hochwertigenKinderbe-
treuungsmöglichkeiten einhergehen, um
dem einzelnen Kind / der individuellen
Familiensitutation gerecht zu werden!
Zwei Erzieher haben vierHände undmehr
als vier Hände kommen in der Alltags-
wirklichkeit einer Kindergruppe nicht vor,
auchwenn uns statistischeGrößen anderes
glauben machen wollen (man denke nur
an Fortbildungen,Urlaubstage, langfristig
unbesetzte Stellen undKrankenstand, der
übrigens lt.einer aktuellen Studie derAlice
SalomonHochschule inBerlin in unserem
Beruf höher ist als bei gleichaltrigenVer-
gleichsgruppen anderer Berufe).
Im Rahmen dieses Artikels geht es mir
darum, die Entwicklung der letzten Jahre
kritisch unter die Lupe zu nehmen; es ist
mehr als offensichtlich, wie Druck von
oben nach unten weitergegeben wird,
wobei er bekanntlich unten am stärksten
und manchmal schmerzhaft spürbar ist.
Mir geht es um einen Appell an alle für
Kindertageseinrichtungen politisch Ver-
antwortliche, eine Kultur des genauen
Hinschauens zu pfegen.Hinschauen und
Wahrnehmen,ob sie dieHaltung desOpti-
malen oder des Machbaren bedienen.Wo
ist die Grenze zwischen „optimal“ und
„machbar“, ist sie vielleicht längst über-
schritten oder neigt man zu einer an der
gesellschaftlichen Realität ausgerichteten
dehnbaren Interpretation dieser Begiffe?
Jenseits aller Erklärungsversuche ist und
bleibt es höchste Zeit, für unsere Kinder
das Optimale zu fordern! Denn der Un-
terschied zwischen Machbarem und Op-
timalem wird über Lebensqualität des
Einzelnen und Werte einer Gesellschaft
von morgen entscheiden…
G a b r i e l e W a l t e r
„OPTIMAL“ und „MACHBAR“
Impulse und Anregungen für pädagogi-
sche Fachkräfte, die als Verantwortliche
in der Kita die Perspektive des Kindes
einnehmen müssen.
c
Wie können wir den Kleinen fami-
lienähnliche Strukturen anbieten?
c
Wie gehen wir vor, wenn die Fami-
liensituation eine am Kind orien-
tierte optimale Länge der Einge-
wöhnungszeit nicht zulässt?
c
Ist das parallele Wickeln von zwei
Kindern zwischen Mittagessen und
Schlafphase pädagogisch über-
haupt vertretbar?
c
Wie gestalte ich die „Sauberkeits-
erziehung“ bei uns in der Tagesein-
richtung?
c
Wie gehe ich vor, wenn die Einge-
wöhnung nicht klappt?
c
Kommen unsere Großen nicht zu
kurz angesichts der notwenigen
Ausrichtung des Gruppenlebens an
den Kleinen in der Parallelbetreu-
ung von fünf Jahrgängen?
c
Überfordern wir die „Mittleren“,
wenn im zweiten Jahr ihres Kin-
dergartenlebens sechs neue Kleine
kommen und sie mit drei Jahren
schon „erfahrene Kindergartenkin-
der“ sein müssen?
c
Was mache ich mit Kindern, die im
Grunde deutlich signalisieren, dass
sie keine „Gruppenmenschen“
sind?
c
Wieviel „Mehr“ braucht ein zwei-
jähriges Kind zum gesunden Auf-
wachsen, was deutlich über ein
bisschen Wickelzeit hinaus geht?