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KOMPAKT 2/2013
D R . J U L I A N E M E R G E N B A U M
Gemeindeinklusion: Familie als Vorbild
Praxisbeispiele zur Bewusstseinsschärfung
D R . J U L I A N E M E R G E N B A U M
Hörbehindertenpädagogin
Diözesanreferentin für Menschen mit
Hörbehinderung, Leiterin des Referates
Behinderten- und Psychiatrieseelsorge im
Erzbischöfichen Generalvikariat
Das Diözesanzentrum für Menschen mit
Hörbehinderung ist an der Romanischen
Kirche St.Georg inKöln angebunden und
wird vomDiözesanhörbehindertenseelsor-
ger, Pfarrer Dr. Hermann-Josef Reuther,
geleitet.Geschäftsführerin des Diözesan-
zentrums ist FrauDr.JulianeMergenbaum.
Sie ist auch Leiterin des Referates Be-
hinderten- und Psychiatrieseelsorge im
Erzbistum Köln. Das Gemeindeleben an
St. Georg wird seit 17 Jahren integrativ
für Menschen mit und ohne Hörbehin-
derung gestaltet.Wie es zur Idee und der
Einrichtung einer integrativenGemeinde
kam,wird in diesemWorkshop vorgestellt.
Anhand von Praxisbeispielen soll deutlich
werden, wie sich das heute inklusiv prak-
tizierte Gemeindeleben darstellt.
Die Familie als Vorbild des integrativen
Gemeindelebens
Erfahrungen des Zusammenlebens von
Menschenmit und ohne Hörbehinderung
in ein und derselben Familie gaben vor 17
Jahren den Anlass, das Gemeindeleben
nach demVorbild der Familie mit hören-
den und nicht hörenden Mitgliedern zu
gestalten. Damals haben wir im Mütter-
Kind-Kreis zumerstenMal erlebt,wie hö-
rende und nicht hörende Familienmitglie-
dermiteinander kommunizieren.Hörende
Kinder gehörloser Eltern werden mit der
Gebärdensprache ihrer Eltern groß, ler-
nen diese Sprache wie ihreMuttersprache
und nehmen zugleich von ihrer hörenden
Umwelt auch die Lautsprache auf.Welche
Kommunikationsform die Kinder jeweils
benutzen,machen sie unbewusst abhängig
von den kommunikativen Bedürfnissen
des jeweiligen Gesprächspartners.
UmHörende und Nichthörende zu einer
einzigen Gemeinde zusammenzuführen,
war es unverzichtbar, die Sprache jeweils
den Bedürfnissen des Gegenübers anzu-
passen. Sehr viele kleine Schritte, viel Zeit
und viel Aufklärung, aber auch das Ler-
nen aus den Erfahrungen des Umgangs
miteinander waren nötig, um denWeg zu
der heutigen „Inklusiven Gemeinde St.
Georg“ miteinander zu gehen.
Das Leitbild:
„Normal ist, verschieden zu sein!“ Diese
Einsicht prägt bis heute unser Gemeinde-
leben.Das Lernen imUmgang miteinan-
der, Achtsamkeit und Respekt, die einer
dem anderen entgegen bringen, Hilfs-
bereitschaft sowie der Mut, aufeinander
zuzugehen: das alles sind Maximen, die
bis heute notwendig sind, ummiteinander
Gemeinde zu gestalten
Wie setzte sich der Gedanke des Zusam-
menlebens in der Gemeinde um?
c
Die Sakramentenvorbereitung in einer
Gruppe von hörenden und nicht hörenden
Kindern machte den Anfang. Die Feier
fandgemeinsammit demEinsatz vonLaut-
und Gebärdensprache statt. Die mediale
Gestaltung derVorbereitung wie auch der
Feier selbst wurde den Bedürfnissen aller
Kinder angepasst.
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Besonders gestaltete Gottesdienste
zu den geprägten Zeiten Advent und
Fastenzeit bildeten den zweiten Schritt.
Das Prinzip der Visualisierung und der
parallele Einsatz von Laut- und Gebär-
densprache setzten sich hier fort.
Von der Integration zur Inklusion: Ge-
hörlose und hörendeMenschen gestalten
gemeinsam
c
Im nächsten Schritt setzten wir ge-
hörlose Gemeindemitglieder als Gebär-
denlektoren ein: Menschen, die gehörlos
sind,möchten auch mitmachen, nicht nur
zuschauen.Aus diesemGrunde begannen
wir, parallel zu hörenden Lektoren gehör-
lose Lektoren auf ihren Dienst vorzube-
reiten.
c
Der Gebärdenchor – ein Chor fürs
Auge,dessenMitglieder alle gehörlos sind,
schaffte es, für gehörlose Teilnehmer am
Gottesdienst auchmusischeTeile möglich
zu machen.Der Gebärdenchor bedarf ei-
nes hörendenDirigenten,damitGebärden-
spracheundMusikparallel wahrzunehmen
sind. Auch hier gestalten Menschen mit
Gehörlosigkeit auf Augenhöhe mit.
c
Inklusive Besinnungstage und Wall-
fahrten führen hörende und hörbehinderte
Gemeindemitglieder zusammen. Gebet,
Gottesdienst und Spiritualität werden
gemeinsam gestaltet und erlebt.
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Auch inklusiveBildungsarbeit ist mög-
lich:Filmabende,Workshops,Kirchen- und
Museumsführungen in zwei Sprachen
schaffen dieBasis dafür,gemeinsamNeues
zu lernen und über das neu Erfahrene zu
sprechen.
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Begegnung und Erfahrungsaustausch
schaffen Gemeinschaft im Pfarrcafé und
bei Empfängen.Gebärdensprachkurse für
hörendeGemeindemitglieder ermöglichen
den Austausch miteinander.