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KOMPAKT 2/2013
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E D I T H S C H L E S I N G E R
Die Welt ist bunt!
Interkulturelle und interreligiöse Vielfalt in der Kita
E D I T H S C H L E S I N G E R
Referentin für christlich-islamischen Dia-
log im Referat Dialog und Verkündigung,
Erzbischöfiches Generalvikariat
DieErweiterung des Inklusionsbegriffs auf
dieAspekte interkultureller und interreli-
giöserVielfalt wirft zunächst die Frage auf,
ob damit unter Umständen irreführende
Akzente gesetzt werden.Unter Inklusion
verstehenPädagogik und Soziologie in ers-
ter Linie dasAnnehmen undAnerkennen
vonVielfalt,umPersonen eineTeilhabe zu
ermöglichen, die in irgendeinerWeise von
einer angenommenen Normalität abwei-
chen. Zweifellos sind Anerkennung und
die Ermöglichung von Teilhabe wichtige
Aspekte des Umgangs mit interkulturel-
ler und interreligiöser Vielfalt; allerdings
beschreiben sie nur unvollständig denHo-
rizont eines gelingendenMiteinanders in
diesen Bereichen.Vor allemwird vielfach
mit dem Begriff der Inklusion ein Aus-
gleich von Nachteilen oder Einschrän-
kungen assoziiert, der zu stark auf die
damit verbundenen Herausforderungen
fokussiert.
Vielfalt ist Bereicherung
Interkulturelle und interreligiöseVielfalt
in Kindertagesstätten ist indessen bei al-
ler Herausforderung vor allem eine gro-
ße Bereicherung für alle Beteiligten. Um
diese fruchtbar werden zu lassen, bedarf
es eines wechselseitigen Prozesses, in dem
man sichbegegnet und aufeinander zugeht.
Es handelt sich also um mehr bzw. etwas
anderes als nur eine gastlicheAufnahme.
Dabei liegt es zwar in der Natur der Sache,
dass zunächst die aufnehmende Seite, in
diesemFall die Kindertagesstätte, den neu
ankommenden Familien die Hand zum
Willkommen ausstreckt. Trotzdem muss
sich mit der Zeit etwas Neues entwickeln,
zu demalle Beteiligten Eigenes beitragen.
Während dies im interkulturellen Mit-
einander abgesehen von eventuellen
Startschwierigkeiten und unterschiedli-
chen Vorlieben grundsätzlich einsichtig
sein mag, stellen sich im interreligiösen
Kontext sehr viel grundsätzlichere Fragen:
Religion alsÜberzeugung undLebenspra-
xis entzieht sich einer Relativierung aus
pragmatischenGründen.Glaube undTra-
ditionen als dessenAusdruckwerden zwar
stets von kulturellen Faktoren sowie den
konkreten Lebensumständen geprägt und
sind insofern dynamisch.Aber gleichzeitig
bildet Religion, wie der Begriff nahelegt,
das, woran Menschen „sich fest machen“
(lat. religere= festmachen, festhalten).
Religiöse und interreligiöse Kompetenz
Vor diesem Hintergrund erfordert die
Aufnahme vonKindern unterschiedlicher
Religionszugehörigkeit in katholischenTa-
geseinrichtungen von denMitarbeitenden
ein besonderes Maß an religiöser und in-
terreligiöser Kompetenz. An vorderster
Stelle steht dabei neben derVerwurzelung
im eigenen Glauben vor allem eine res-
pektvolle und offene Haltung gegenüber
anderen Glaubensrichtungen. Um diese
Haltung angemessen kommunizieren und
umsetzen zu können, benötigen dieTeams
Unterstützung in vielerlei Hinsicht. Das
gilt umso mehr, als die deutschen Bischö-
fe ausdrücklich darauf verweisen, dass es
„von großer Bedeutung [ist], dass Kinder
schon im Vorschulalter lernen, religiöse
und kulturelle Unterschiede wahrzu-
nehmen, ein Bewusstsein der eigenen
religiösen und kulturellen Zugehörigkeit
zu entwickeln und sich mit anderen zu
verständigen.“ (Die deutschen Bischöfe
Nr. 89. Welt entdecken, Glauben leben.
Zum Bildungs- und Erziehungsauftrag
katholischer Kindertageseinrichtungen,
25. September 2008) Es entspricht also
dem genuinen Auftrag katholischer Ta-
gesstätten undKindergärten, sich über die
katholischen Gemeinden hinaus auch für
Kinder aus andersgläubigen Familien zu
öffnen und den verschiedenen religiösen
Bekenntnissen Rechnung zu tragen.
Um dennoch das katholische Profl der
Einrichtungen glaubhaft und angemessen
umzusetzen, stehen die katholischen Ein-
richtungen vor neuenHerausforderungen
– sowohl in der Arbeit mit den Kindern
als auch der Elternarbeit. Vom Umgang
mit religiösen Speisevorschriften über
das Aufgreifen religiöser Themen und
Feste bis hin zu Fragen des Tischgebets
oder des Gottesdienstbesuchs muss vieles
neu refektiert, den Familien erläutert und
gegebenenfalls neu geregelt werden, was
in derVergangenheit scheinbar selbstver-
ständlich war.
Interkulturelle und interreligiöseÖffnung
Die Erfahrung zeigt, dass eine solche Öff-
nung nur gelingen kann, wenn innerhalb
derMitarbeiterteams einDiskussionspro-
zess in Gang kommt: In dessen Verlauf
muss zu allererst das Verständnis vom je
Eigenen geklärt werden.Neben konkreten
Fragen der Umsetzung neuer Inhalte ha-
ben auchBedenken und Sorgen angesichts
der neuen Situation hier ihren Platz. In-
terkulturelle und nochmehr interreligiöse
Öffnung fnden in diesen Faktoren ihre
größte Herausforderung, aber auch ihr
ganzes Potenzial!
An zweiter Stelle steht die Verständi-
gung mit dem Träger auf das angestreb-
te Konzept, und im Anschluss daran die