KOMPAKT 2/2014
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I M P U L S E
„vielfalt. viel wert.“?!
Einigkeit und Recht und Freiheit und
Vielfalt – so ergänzt ein Postkartenmo-
tiv zur Interkulturellen Woche 2014 die
erste Zeile unserer Nationalhymne. Auch
wenn der Text Hoffmann von Fallersle-
bens bleibt wie er ist, dieKarten-Botschaft
ist klar: Vielfalt ist zu einem der prägen-
den, ja identitätsstiftenden Merkmal der
deutschenGesellschaft geworden. Vielfalt
gilt als Markenzeichen, etwa Unterneh-
men und öffentlichen Einrichtungen, die
die Charta der Vielfalt unterzeichnet ha-
ben, oder Kommunen, die sich offen und
diskriminierungsfrei präsentieren wollen,
auchKonsumartikel-Firmen, die etwamit
„vielfaltissimo“ werben.
Caritas und Vielfalt – geht das?
Und doch verweist der fast schon infati-
onäre Gebrauch derVokabel darauf, dass
Vielfalt kein alter Hut ist, eher ein Syno-
nymfürWandel undBlicknachvorn– auch
für die Caritas und die Kirche insgesamt.
Darum ist das programmatische Logo
„vielfalt. viel wert.“ ein Caritas-Statement
mit Hoppla-Faktor.Es überrascht.Es irri-
tiert.Es aktiviertWiderspruchs-Gedanken.
Verträgt sich ein Bekenntnis zur Vielfalt
mit dem katholischen Profl?
Genau darum geht es: will die Caritas
ernst genommene Akteurin in der heu-
tigen Vielfalt-Gesellschaft sein, muss sie
„Vielfalt-ft“ sein, muss sie lernen selbst-
verständlich mit Vielfalt umzugehen und
selbstVielfalt zu leben.Das kann gelingen,
wenn das Evangelium uns leitet.
Dem schlichten wie eindeutigen Zeug-
nis „vielfalt. viel wert.“ ging ein längerer
Denkprozess voraus, dessen Point-of-no-
return Diözesan-Caritasdirektor Dr.
Frank Johannes Hensel so ausdrückte:
„Vielfalt ist für uns viel wert – denn wer
glaubt, dass alle Menschen Gotteskinder
sind, für den ist Vielfalt keine unnatürli-
che Bedrohung, sondern ein natürlicher
Segen.“ Im Vertrauen darauf will die
Caritas ihren Platz in der modernen,
diversen und vielfältigen Gesellschaft
fnden. Sie will deutlich machen, dass sie
eine Organisation ist, die in der Vielfalt-
gesellschaft angekommen ist; die nicht
nur sagt: wir passen uns dem an, sondern
die auch im Theologischen Argumente
parat hat zu verkünden:Vielfalt ist etwas
Gottgewolltes und Gutes.“ Daran wird
man die Caritas messen, und zwar in al-
lenVielfalt- oder Diversity-Dimensionen:
Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft,
Hautfarbe, Religion, Handikaps, Milieu,
sexuelle Orientierung.Als besondere He-
rausforderung gelten dieVielfalt-Katego-
rien Ethnie, Kultur, Religion. Denn hier
vollziehen sich gesamtgesellschaftlich die
größten Umbrüche.
Bis ungewohnt klingende Namen, unge-
wohntesAussehen, ausländisch gefärbter
Wort- und Satz-Akzent selbstverständlich
– „normal“ – werden, braucht es dreier-
lei: das Bewusstsein, dass Vielfalt o.k. ist;
viel Übung in der Vielfalt-Realität; und
wirksame Instrumente, die beides fördern.
„vielfalt. viel wert.“ ist zugleichVision und
Wegweiser, für die verbandliche Caritas
und für die Gesellschaft insgesamt.Wenn
Wertschätzung für Menschen mit soge-
nanntem Migrationshintergrund einge-
fordert oder wenn Willkommenskultur
beschworen wird, will die Caritas imErz-
bistumKöln nicht neutral bleiben, sondern
aktiv mitdenken,mitwirken,mitgestalten.
Vielfalt-Akzeptanz steigern – aber wie?
Die Vielfalt-Initiative fordert in mehrfa-
cher Hinsicht heraus.Hilfe für Menschen
in Not, für Bedürftige da sein, Not sehen
und handeln: das ist der traditionelleMar-
kenkern der Caritas.Bewusstseinsbildend
bzw.–verändernd indieGesellschaft hinein
zu wirken, dafür sind (noch) eher weniger
Umsetzungskompetenz und Erfahrungs-
wissen vorhanden. Da sind Innovations-
bereitschaft, Experimentierfreude und
der Mut zum Risiko gefragt. Gebraucht
werden Mitarbeitende, die be-geist-ert
sind von derVielfalt-Initiative und abseits
ausgetretener Pfade nach neuen Wegen
suchen. Erprobt werden müssen Metho-
den, die nicht belehrend daher kommen,
sondernNeugier undAnreizweckend.Das
können Events mit viel U- und wenig E-
Faktor sein oderWettbewerbe für Schüler
und Schülerinnen und Heranwachsende.
Das können Social-Media-Postings sein
oder Flashmobs.Das könnenVernetzung
und Kooperation mit Kunst und Kultur