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Kompakt Spezial 1/2013
P r o f . D r . M a r g i t t a K u n e r t - Z i e r
Mädchen und Jungen brauchen Frauen und Männer
– gemischte Teams in Kitas!
P r o f . D r . M a r g i t t a K u n e r t - Z i e r
Fachhochschule Frankfurt/Main
Mehr Männer in Kitas zu fordern, reicht
nicht aus! Nur geschlechterbewusst qua-
lifzierte Frauen und Männer in der Kita
könnenMädchen und Jungen gerecht wer-
den! Weil sie Mädchen und Jungen darin
fördern, jenseits einengender Geschlech-
terbilder ihre Potenziale zu entfalten sowie
selbstbestimmt und gemeinschaftsfähig ihr
Leben zu gestalten. In gesellschaftspoliti-
scher Sicht sind genderbewusste gemischte
Teams ein wichtiger Beitrag zur Demo-
kratisierung der Geschlechterverhältnisse.
Im 21. Jahrhundert:
immer noch Aufwachsen in einer
Männergesellschaft
Trotz der neuen Frauenbewegung, die
nachhaltige Spuren in der Politik, inTheo-
rien und Praxis hinterlassen hat, leben wir
im 21. Jahrhundert immer noch in einem
sozialen System der Zweigeschlechtlich-
keit,das dieGeschlechter auf je spezifsche
Weise benachteiligt.Neben neuen offenen
BildernvonWeiblichkeit undMännlichkeit
existierenheuteVorstellungenvonderAuf-
hebung der Kategorie Geschlecht ebenso
wie sehr traditionelle Geschlechterbilder.
Platzanweiser für Chancengerechtigkeit
ist längst nicht mehr nur das Geschlecht.
Auch der familiale, soziale und kulturelle
Hintergrund spielt dabei eine Rolle.Mäd-
chen und Jungen aus bildungsorientierten
sozialen Schichtenmit weltoffenen Eltern
werden in der Regel mehr Möglichkeiten
der individuellen Entfaltung zugestanden
alsMädchen und Jungen aus traditionellen
eher bildungsfernen sozialen Schichten.
Einstellungen und Zukunftsbilder von
Mädchen und Jungen haben sich in den
jeweiligen Milieus angeglichen.
Dennoch: Mädchen erzielen bessere
Schulabschlüsse, wählen aber trotzdem
meist die traditionellen Frauenberufe mit
geringenAufstiegschancen und sozialem
Ansehen. Selbst wenn eine Frau einen gut
bezahlten anspruchsvollen Beruf ausübt
und ein Kind bekommt, wird sie mit alten
Geschlechterbildern konfrontiert undmit
der Tatsache, zwischen Kind und Beruf
Kompromisse schließen zu müssen. Dies
betrifft die jungen Väter nach wie vor
deutlich weniger als die jungen Mütter.
Von Geschlechtergerechtigkeit sind wir
immer noch weit entfernt.
Frauen verdienen bei gleicher Qualifka-
tion 25 Prozent weniger als Männer, und
in den Machtzentralen der Gesellschaft
sind sie nach wie vor selten zu fnden (vgl.
Gender Datenreport). Wir leben immer
noch in einer Männergesellschaft, auch
wenn die traditionellen Bilder brüchig
geworden sind und auch wenn es immer
mehr Menschen werden, die diese alten
Rollen ablehnen.
Was Mädchen und Jungen brauchen
Mädchen und Jungen werden vonGeburt
anmit denVorstellungenundErwartungen
der sie umgebenden Menschen konfron-
tiert.EigeneGeschlechterbilder,unerfüllte
Wünschewerden auf die kleinenMädchen
und Jungen projiziert. Selbst wenn Mäd-
chen und Jungen in den Familien weit-
gehend frei von Geschlechterklischees
aufgewachsen sind, spüren sie spätestens
beim Eintritt in den Kindergarten, dass
es da draußen noch eine Welt gibt, die
ganz andere Regeln aufstellt. Mädchen
und Jungen werden, und dies mehr als
je angenommen, von Gleichaltrigen mit
erzogen. In der Gruppe der Gleichaltri-
genwird gemeinsamverhandelt,was unter
Geschlecht verstandenwird.Dort vorherr-
schende Dominanzverhältnisse können
Anpassungsleistungen bei den kleinen
Mädchen und Jungen hervorrufen, weil
die Kinder dazugehören möchten.
Weitere Sozialisationsinstanzen sind die
Medien und vor allem die Werbe- und
Spielzeugindustrie, die wieder mehr
denn je rosa und hellblaue Kinderwel-
ten reproduziert. Mädchen und Jungen
erhalten widersprüchliche Botschaften:
Sie erleben, dass Frauen im Beruf stehen
und fnanziell von Männern unabhängig
sein können und dass gelegentlich auch
Männer sehr aktiv in der Familienarbeit
sind und sich liebevoll um ihre Kinder
kümmern. Gleichzeitig wird eine tradi-
tionelle Weiblichkeit und Männlichkeit
propagiert.Mädchen und Jungen nehmen
die Botschaften undWertungen über die
Geschlechter aus ihren Familienmit in die
Welt und ergänzen diese durch mediale
Eindrücke, die Gleichaltrigen und die sie
umgebenden Erwachsenen. Sie lernen im
Verlauf ihrer Entwicklung, ihr Geschlecht
mit Bedeutungen auszustatten.
Die Rolle der Erzieherinnen und
Erzieher
Mit Eintritt in die Krippe oder in denKin-
dergarten begebenMädchen und Jungen
sich in die Hände pädagogischer Fach-
kräfte.Mädchen und Jungen möchten als