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Kompakt Spezial 1/2013
D r . T i m R o h r m a n n
Männer – auch schon für die Kleinsten wichtig?
D r . T i m R o h r m a n n
Diplom-Psychologe, Bildungsreferent,
Wechselspiel – Institut für Pädagogik und
Psychologie
Mehr Männer in Kitas – dieses Vorhaben
trifft in Fachwelt, Politik und Öffentlich-
keit zurzeit auf breite Zustimmung. Zur
gleichenZeit wird dermassiveAusbau von
Betreuungsplätzen für unter Dreijährige
als eine Hauptaufgabe des Systems der
Kinderbetreuung gesehen. Nicht zuletzt
ist er einer der Gründe für den aktuellen
Fachkräftemangel. Heißt mehr Männer
in Kitas daher auch mehr Männer in der
Krippe?
Die zunehmende institutionelleBetreuung
von Kindern unter drei Jahren verändert
dieGeschlechterverhältnisse in den Fami-
lien und in der Gesellschaft. Dies stößt
sowohl in den Einrichtungen als auch bei
Eltern auf althergebrachte Einstellungen,
Klischees und Ängste. Männliche Erzie-
her, die mit Babys und Kleinkindern
arbeiten, lösen noch immer Irritationen
und Unsicherheit aus. Auf der anderen
Seite nimmt heute mehr als ein Viertel
derVäter Elternzeit inAnspruch. Für die
wachsende Zahl von engagierten Vätern
vonKleinkindern ist ein guter Kontakt zur
Kindertageseinrichtung wichtig. Zuneh-
mend ist selbstverständlich, dass Väter
schon für ganz kleine Kinder wichtig sind
und auch ihre Versorgung übernehmen
können. Entsprechend häufger sind sie
in Kindertageseinrichtungen anzutreffen.
So begleiten mehr und mehr Väter den
Eingewöhnungsprozess neuer Kinder.
Männliche Fachkräfte als
Ansprechpartner für Väter
Für viele Männer ist die Betreuung
eines Kleinkindes allerdings Neuland;
sie können nicht auf Vorerfahrungen
in ihrer eigenen Familie zurückgreifen.
In Kindertageseinrichtungen können
sie erleben, dass sie als Sorgende ernst
genommen und unterstützt werden. Eine
besondere Bedeutung können hier männ-
liche Fachkräfte haben. In Kita-Gruppen
für die kleinsten Kinder begegnen Väter
allerdings kaum einmal männlichen Fach-
kräften. Der Männeranteil am pädago-
gischen Personal von Einrichtungen für
unter Dreijährige liegt unter zwei Prozent
und damit noch einmal deutlich niedriger
als der ohnehin geringeAnteil männlicher
Fachkräfte in Kitas insgesamt.
Die große gesellschaftlicheZustimmung zu
mehr Männern in Kitas hat oft die älteren
Kinder imBlick und ist oft mit stereotypen
Vorstellungen verbunden, die männliche
Fachkräftemit typisch „männlichen“Auf-
gaben undAktivitäten wie Fußballspielen
oder Toben verbinden.
Krippen sind dagegen der Bereich der
Kindertagesbetreuung, der amwenigsten
mitMännern inVerbindung gebracht wird.
Vielmehr machen sich Vorbehalte gegen
männliche Fachkräfte gerade an körperna-
henVersorgungstätigkeiten fest,die selbst-
verständlich zumKrippenalltag gehören,
wie z. B. das Windelwechseln. Männliche
Erzieher müssten, so die Erfahrung von
männlichen Fachkräften, gerade in der
Krippe mit besonderem Misstrauen von
Eltern rechnen.Zumeinenwird ihreKom-
petenz in Frage gestellt: „Kann ein Mann
das überhaupt?“ Zum anderen schwebt
der „Generalverdacht“ im Raum, dass
Männer, die sich für die Arbeit mit klei-
nen Kindern interessieren, pädophil sein
könnten.
Lange Zeit wurden derartige Vorbehal-
te auch von Expertinnen und Experten
vertreten. So schrieb die bekannte franzö-
sische Psychoanalytikerin Françoise Dol-
to noch 1988:
„Wenn das Kind das Alter
erreicht hat, in dem es laufen lernt – mit
18Monaten – beginnen normal veranlagte
Männer, sich um es zu kümmern. Die sich
umBabys kümmern, sind zum großenTeil
feminin und gewissermaßen eifersüchtig
auf die Schwangerschaft der Mutter“
(zit.
nach Le Camus, 2001).
Inzwischen hat die Väterforschung das
Gegenteil belegt: Väter sind schon zu
Beginn der Lebenszeit wichtig und können
sich genauso gut umKleinkinder kümmern
wieMütter.DieKommunikation zwischen
Eltern und Kleinkindern hängt nicht vom
Geschlecht ab:
„Mutter und Vater stellen
sich beinahe auf gleiche Weise auf das
Entwicklungsniveau des Babys ein“
(Le
Camus, 2001, S. 58).
Berichtet werden aber auch Unterschie-
de im Erziehungsverhalten. So entfalten
Mütter stärker pfegerische,Väter stärker
spielerische Aktivitäten. Mütter spielen
sanfter, Väter spielen rauer. Und Väter
sprechen herausfordernder mit ihrenKin-
dern. Schließlich wird die Bedeutung der
„frühen Triade“ hervorgehoben. Kinder
können von Anfang an Beziehungen zu
mehreren Personen aufnehmen.DerVater
kann als „Dritter“ imFamiliensystemdem
Kind wichtigenHalt geben – schon imers-
ten Lebensjahr. Vater, Mutter und Kind
beeinfussen sich wechselseitig und die