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KOMPAKT 2/2013
A N N E K U H N E R T
Inklusion – weit gedacht
Qualitätsanspruch an Bildungsinstitutionen
A N N E K U H N E R T
Referentin und Co-Leitung des Fach­
bereichs Fortbildung im Institut für den
Situationsansatz an der FU Berlin
Inklusion, als aktuelles Thema, besonders
präsent in pädagogischen Texten, Veröf-
fentlichungen und in Kitakonzeptionen
als Qualitätsmerkmal, ist mehr und mehr
in aller Munde.
Nicht nur durch das Unterschreiben der
UN-Behindertenrechtskonvention hat die
Auseinandersetzung mit unserer Gesell-
schaft imUmgang mit Heterogenität und
Unterschiedlichkeit an Dynamik gewon-
nen.Denn spätestens die aktuellenErgeb-
nissen derAntidiskriminierungsstelle des
Bundes von 2013
1
beweisen, dass bereits
in Bildungsinstitutionen der Frühpäda-
gogik (Kitas), Grundschulen und weiter-
führenden Schulen erhebliche Barrieren
für bestimmte Kinder bestehen und diese
Zugänge nicht oder kaum gesichert sind.
Kinder erleben Auslese, Ausgrenzung
und Benachteiligung bereits in Form
„feinster distinktiver Differenzierungen
im exklusiven Bildungsbereich” (Kramer
et al, 2009). Und gleichzeitig wissen wir
aber, in derAuseinandersetzungmit Chan-
cengleichheit und Bildungsgerechtigkeit,
dass „niedrige Bildung […] zu Entwick-
lungs- undVerhaltensproblemen, letztlich
zu fnanziellerAbhängigkeit und sozialer
Ausgrenzung [führen]” (Allmendinger,
2012).
Wohlergehen durch Zugehörigkeit
Eine hohe Lernmotivation ist jedoch
geknüpft an Wohlergehen und Zugehö-
rigkeit. Grundvoraussetzung dafür ist
Chancengleichheit und Beteiligung – für
alle Kinder und alle Erwachsene.
Dafür nun braucht es pädagogische Fach-
kräfte, die kompetent sind imUmgangmit
Unterschieden und Vielfalt und die sich
diesemAnspruch annehmen: die vorhan-
deneVielfalt in denBildungsinstitutionen,
in den Kindergruppen und den dazuge-
hörenden Bezugsgruppen zu respektieren
und sie explizit zu Beteiligung einzuladen.
Hohe Ansprüche
Dass dieses Ziel einer inklusiven Praxis-
veränderung groß ist,wird deutlich, schaut
man auf die zwei parallelen Ansprüche:
1. Es braucht einen neuen, einen kom-
petenten gesellschaftlichen Umgang
mitVielfalt, der beinhaltet, vorhande-
ne Unterschiede zu respektieren und
wertzuschätzen.
2. Es braucht dieAuseinandersetzungmit
Exklusion zumAbbau von Barrieren,
die Inklusion und Bildungsteilhabe er-
schweren können, z.B. in Form exklu-
sionskritischer pädagogischerAnsätze
undKenntnis darüber,wie vielschichtig
und diversKinder undFamilien aktuell
in Deutschland aufwachsen.
1. Neue Wege für einen kompetenten
Umgang mit Vielfalt
Inklusion, als einModell,wie gesellschaft-
lichmitVielfalt umgegangenwerden kann,
thematisiert einerseits die vorhandene
Unterschiedlichkeit innerhalb der Ge-
sellschaft und richtet andererseits ihren
Fokus auf Bildungsungerechtigkeiten und
Barrieren, die sich aktuell Kindern und
Erwachsenen in den Weg stellen.
Inklusion wird dabei unterschiedlich ver-
standen und unterschiedlich interpretiert:
c
Inklusion von wem wohin?
c
Warum?
c
Wer inkludiert wen?
c
Ab wann arbeite ich inklusiv?
Um sich also überhaupt dem Thema des
inklusiven Arbeitens nähern zu können,
braucht es Eindeutigkeit und eine klare
Zielorientierung: Worauf zielt Inklusion
und was sind die Kernelemente?Was sind
die Kerngedanken, die dieser Auseinan-
dersetzungmit Inklusion zugrunde liegen?
Entwicklungslinien
1990 veröffentlichte die UNESCO die
Weltdeklaration „Education for all” mit
der Forderung nach „inclusive quality lear-
ning”,unter Bezugnahme auf dieUN-Kin-
derrechtskonvention von 1989 mit ihrem
Recht auf Bildung für alle Kinder (§28).
1994 ergänzte sie diese durch die UN-Er-
klärung von Salamanca über die „Prinzipi-
en, Politik und Praxis in der Pädagogik für
besondere Bedürfnisse”und formulierte,
„dass menschliche Unterschiede normal
sind, dass das Lernen daher an die Bedürf-
nisse des Kindes angepasst werden muss
und sich nicht umgekehrt das Kind nach
vorbestimmtenAnnahmen über dasTem-
po und dieArt des Lernprozesses richten
soll” (UNESCO 1994).
Aber erst seit 2006 mit dem UN-Über-
einkommen über die Rechte von Men-
schen mit Behinderungen, von Deutsch-
land ratifziert in 2007 und in Kraft seit
2009, bekam der Diskurs zu Inklusion in
Deutschland die Dynamik, die ihm nun
inne liegt. Interessant daran ist, dass in
1
http://www.antidiskriminierungsstelle.de/Shared-
Docs/Downloads/DE/publikationen/Expertise_Diskrimi-
nierung_im_vorschulischen_und_schulischen_Bereich.
html?nn=4191866