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KOMPAKT 2/2013
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A N N E K U H N E R T
der Konvention durchgängig dieRede von
„inclusion“ und „inclusive education“ ist,
was im Deutschen mit „integrativ“ über-
setzt wurde. Integration jedoch beschreibt,
recherchiert man einmal ausführlich, ein
anderes Modell von gesellschaftlichem
Umgang mit Heterogenität.
Kernaussagen
In den unterschiedlichenVeröffentlichun-
gen und Ausführungen der UN sind nun
folgende Kernaussagen zu fnden, die eine
grundlegende Werteorientierung für in-
klusives Arbeiten beschreiben:
„JedesKind ist einzigartig.Es hat einRecht
auf Achtung, Wohlergehen, Entfaltung
seiner Persönlichkeit und auf vielfältige
Entwicklungschancen, so niedergelegt im
UN-Übereinkommen über dieRechte des
Kindes.Dass alle Menschen weltweit Zu-
gang zu qualitativ hochwertiger Bildung
erhalten und ihre Potenziale entfalten
können, ist eines der wichtigsten Ziele der
UNESCO.“ (Resolution der 69. Haupt-
versammlung der Deutschen UNESCO-
Kommission, Brühl, 26. Juni 2009)
Unabhängig vonGeschlecht,Religion,eth-
nischer Zugehörigkeit, besonderen Lern-
bedürfnissen, sozialen und ökonomischen
Voraussetzungen etc.müssen demnach al-
lenMenschen die gleichenMöglichkeiten
offen stehen, an qualitativ hochwertiger
Bildung teilzuhaben und ihre Potenziale
zu entwickeln.
Gleichzeitig gilt es aber auch,denBlick vor
Ungerechtigkeiten und Exklusion nicht
zu verschließen und das Erziehungs- und
Bildungssystem als Problem anzuerken-
nen, nicht aber das Kind.
Bildungsgerechtigkeit ist das oberste Ziel
Inklusionmeint in diesemZusammenhang
eben nicht nur die gemeinsame Bildung
und Erziehung vonKindernmit und ohne
Behinderung, sondern zielt umfassend auf
dieHerstellung vonBildungsgerechtigkeit.
Veränderungen gefordert
Die jedoch kann nur hergestellt werden,
wenn Veränderungen auf allen Ebenen
des Bildungssystems erfolgen:
c
Makro-Ebene:
Gliederung des Bil-
dungssystems, Bildungsfnanzierung,
Curricula, Ausführungsvorschriften
(Bildung in der Bundes-, Länder- und
Kommunalpolitik)
c
Meso-Ebene:
Abläufe und Kultur in
den einzelnen Erziehungs- und Bil-
dungseinrichtungen (Träger)
c
Mikro-Ebene:
Gestaltung der pädago-
gischen Praxis in den Einrichtungen/
Schulen (durch die Fachkräfte)
2. Inklusion durch Aufmerksamkeit für
Exklusion
In derAuseinandersetzung mit Inklusion
darf auch der geschärfte Blick auf exklu-
dierende Mechanismen, als Gegenstück
zu inklusivemHandeln nicht fehlen, quasi
wie zwei Seiten derselben Medaille.Was
aber sind exkludierende Mechanismen?
Und wo fndet man sie in Bildungsinsti-
tutionen, wie Kitas und Schulen?
Alle Menschen brauchen für gutes und
engagiertes Lernen und Beteiligen auch
Anerkennung all ihrerAspekte von Identi-
tät,Zugehörigkeit und die explizite Einla-
dung, sich auch beteiligen zu können.Das
jedoch setzt voraus,dass sich pädagogische
Fachkräfte kritisch mit sich selbst, dem
eigenen kulturellenHintergrund und ihrer
pädagogischen Praxis auseinandersetzen
und hinterfragen,mit welchenUnterschie-
den sie besser undwelchen sie weniger gut
umgehen können und warum.
Als eine Möglichkeit und ein Ansatz für
eine inklusive Praxisentwicklung,der auch
gezielt und systematisch auf exkludierende
Mechanismen schaut, steht dieVorurteils-
bewusste Bildung und Erziehung® der
Fachstelle KiNDERWELTEN im Institut
für denSituationsansatz der INAgGmbH².
Sensibilität erhöhen
DerAnsatz basiert auf Erkenntnissen um
Formen undWirkungen institutionalisier-
ter Diskriminierung, Erkenntnissen über
die Identitätsentwicklung (kleiner) Kinder
undWissen undMethodik zur Selbst- und
Praxisrefexion der pädagogischen Fach-
kräfte. Der Ansatz problematisiert Ein-
seitigkeiten in der Kommunikation, in der
Ausstattung und in den Strukturen und
versteht sich als „eingreifend“.
Bereits im Alter von drei Jahren zeigen
Kinder Vorformen von Vorurteilen, die
sie aktiv und eigensinnig aus Botschaften
über Menschen konstruieren, die sie ihrer
Umgebung entnehmen. Diese Botschaf-
ten enthalten gesellschaftliche Normali-
tätsvorstellungen und Bewertungen über
Menschen / Gruppen von Menschen. In
den Deutungen und Hypothesen junger
Kinder zeigt sich deren Einfuss auf ihr
Selbstbild und auf ihr Bild vonAnderen.
Spielsituationen und Ausgrenzungen
Deutlich macht sich das z.B. wie sie ihre
Spielinteressen aushandeln. Dabei neh-
men die Kinder unterschiedlich Bezug auf
bestimmte Identitätsaspekte und greifen
dabei u.a. auf gesellschaftliche Normen
und Bewertungen zurück: „Mädchen dür-
fen hier nicht mitspielen!“
Einseitige und abwertende Botschaften
über Menschen jedoch beeinfussen Bil-
dungsprozesse – dieBildungsprozesse aller
Kinder.Die Einen lernen, dass es in Ord-
nung ist, andere Kinder auszugrenzen und
gemein zu sein. Und dieAnderen lernen,
dass sie zu einer Gruppe von Menschen
gehören, die ein Merkmal besitzen, mit
dem sie gehänselt, geärgert oder ausge-
schlossen werden können.
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Internationale Akademie für innovative Pädago-
gik, Psychologie und Ökonomie gGmbH an der Freien
Universität Berlin