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c a r i t a s
a k t u e l l
3 / 2 013
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„Ein stinknormales
Hans-Georg Wrede hat einen schlichten und doch ganz gro-
ßen Wunsch: „Ein stinknormales Leben.“
Morgens aufstehen,
zur Arbeit gehen, etwas unternehmen, Ziele und Träume haben.
Für ihn ist das keine Selbstverständlichkeit. In seinem Leben ist
ziemlich viel schief gelaufen. Mit 17 ging er weg aus einem zer-
rütteten Elternhaus – ohne Schulabschluss und ohne Ausbildung.
Danach lebte er meist auf der Straße, begann zu trinken. Es folgten
Marihuana und härtere Drogen. Mit 18 war er süchtig. Da, wo für
andere das Leben erst anfängt, glitt es Hans-Georg Wrede immer
mehr aus den Händen. „Es ging immer tiefer runter.“ Richtig lesen
und schreiben hatte er nie gelernt. Die Wohnung und die Jobs, die
er zwischenzeitlich hatte, verlor er, weil nur noch die Drogen
seinenAlltag bestimmten. Arbeitslos, wohnungslos, perspektivlos
– das war die Zustandsbeschreibung noch vor einigen Jahren.
Inzwischen ist Hans-Georg Wrede 43 Jahre alt. Er macht ei-
nen aufgeräumten Eindruck. Das liegt auch an Skadi Schulze.
„Ohne Skadi hätte ich es nicht auf die Reihe gekriegt“, sagt
Wrede leise
. Einmal pro Woche, im Notfall auch öfter, sehen sich
die beiden. Die Sozialpädagogin half ihm, sein Leben neu zu sor-
tieren. Wrede hat wieder eine Wohnung. Dort besucht ihn Skadi
Schulze regelmäßig. Sie unterstützt ihn bei Ämtergängen, beim
Schriftverkehr mit Behörden, bei der Ordnung der Finanzen, bei
Arztbesuchen – und beim abstinent bleiben. „Ambulant Betreutes
Wohnen nach §67 SGB XII“ nennt sich das im Amtsdeutsch.
Skadi Schulze nennt es „alltagsnahe Unterstützung“. Es geht
darum, „den Klienten am Leben teilhaben zu lassen und Probleme
aus der Welt zu schaffen“. Abstinenz, Schuldenfreiheit, Allt-
agsstruktur, eine Beschäftigung, soziale Kontakte – das sind
einige der Ziele, die in kleinen Etappen angegangen werden. Erst
seit Mai 2012 gibt es dieses Angebot in Grevenbroich. Skadi
Schulze hat es aufgebaut – und ist immer noch dabei. Sechs Klien-
ten hat sie derzeit im Ambulant Betreuten Wohnen.
Mehr als ein Dach
über dem Kopf
Liebe Leserinnen und Leser,
„NachHause telefonieren!“ ist derWunsch
des außerirdischen „E.T.“ im Kinofilm. Die
liebenswerte Fantasiefigur hat Heimweh.
Auch wenn es sich im Film um eine erfun-
dene Geschichte handelt, kann der Zuschau-
er sich gut hineinversetzen.
Heimweh ist
die Sehnsucht nach Zuhause. Und damit
ist nicht nur eineWohnung gemeint, son-
dern ein Ort, an den man immer zurück
kehren kann, von dem man immer wie-
der aufbrechen kann und ein Ort, an dem
man so sein darf, wie man ist.
Darin drückt
sich schon aus, dass das Zuhause oder das
traute Heimmehr ist als ein Dach über dem
Kopf. Die wenigsten von uns werden sich
vorstellen können, was es bedeutet, wenn
man noch nicht einmal ein solches Dach
hat. Da ist man nicht nur dem Wetter aus-
geliefert, sondern allen Widrigkeiten. Man
ist angreifbar, immer unter Beobachtung.
Es ist daher nur allzu verständlich, wenn
Jesus selber die Wohnung zum Bild seiner
Verkündigung gewählt hat: „ImHause mei-
nes Vaters gibt es viele Wohnungen!“ sagt
er den Jüngern, um ihnen zu erklären, dass
er in den Himmel zurück kehrt, um uns ei-
nen „Platz zu bereiten!“ Von sich selber sagt
Jesus, dass jeder Vogel ein Nest hat, aber
der Menschensohn (damit meint er sich
selber) keinen Platz, um sein Haupt nieder
zu legen, also kein Zuhause auf der Erde.
Die Forderung zu menschenwürdigem
Wohnen ist mehr als das Zurverfügung-
stellen von Wohnraum. Es geht um die
Würde des Menschen, die unantastbar
und uns von Gott geschenkt ist.
Ich grüße Sie und wünsche Ihnen allen
einen Ort, wo Sie Mensch sein dürfen, Ihr
Kreisdechant Msgr. Guido Assmann
Vorsitzender des Caritasrates