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c a r i t a s
a k t u e l l
3 / 2 014
2
Im Eingangsbereich des ehemaligen
Alexius-Krankenhauses in Neuss stehen
Menschen in Gruppen herum. Sie reden
leise miteinander. Es ist eine Szenerie wie
in einer Wartehalle.
Nur, dass die Men-
schen hier nicht auf einen Arzttermin oder
einen Zug oder den Beginn
der Kinovorstellung
warten. Sie warten
auf ein bisschen
Hoffnung, auf ein
Stück Gewissheit, auf
eine bessere Zukunft.
Viele von ihnen haben Mona-
te voller Angst, Leid und Verzweiflung
hinter sich. So wie Harun undAlim (Na-
men geändert). Die beiden jungen Män-
ner, der eine 28, der andere 27, sind aus
Syrien geflohen.
Harun war Soldat in der
Armee des syrischen Diktators Baschar al-
Assad. Er musste im Bürgerkrieg auf seine
Landsleute schießen, und er musste ansehen,
wie Bomben seiner Truppen das Haus seiner
Familie dem Erdboden gleichmachten. Da
beschloss Harun, nicht mehr weiter-
zukämpfen. Er setzte sich nach
Jordanien ab und schaffte es
nach Deutschland. Seinen
Vater, seine Frau und seine
Tochter musste er zurück-
lassen. Die Tochter, inzwi-
schen vier Jahre alt, hat Harun
seit drei Jahren nicht mehr gesehen.
Alim war schon 2010 und 2011 in Syrien
verhaftet worden, weil er sich in der Oppo-
sition gegen Assad engagiert hatte.
Alim
„Es ist viel zerstört
worden – auch in mir“
Das Praxisbeispiel Meerbusch: Wie eine Kommune mit
Die Stadt Meerbusch wird für Konzept
zur Unterbringung von Flüchtlingen ge-
lobt. Beteiligt ist auch der Caritasverband.
Wie es angesichts steigender Flüchtlings-
zahlen weitergehen kann, erklärt Bettina
Scholten, Leiterin der Abteilung „Soziale
Hilfen“ der Stadt Meerbusch, im Interview.
Caritas aktuell:
Wie haben sich die
Flüchtlingszahlen in Meerbusch in letz-
ter Zeit entwickelt?
Bettina Scholten:
Im Oktober 2012
erhielten in Meerbusch 115 Flüchtlinge
Leistungen nach demAsylbewerberleis-
tungsgesetz, im Oktober 2014 waren es
bereits 262 Menschen.
Wie gehen Sie mit dem Anstieg um?
Welche Probleme sind damit verbunden,
und was tut die Stadt, um sie zu lösen?
insbesondere die geringe oder gänzlich feh-
lende Vorlaufzeit zur Herrichtung geeigne-
ter Unterkünfte. Der Zustrom erfolgt mitt-
lerweile ja viel schneller als die Abgänge
infolge der Anerkennung oder Heimkehr
der vorherigen Bewohner. Die regulären
städtischen Asylbewerberunterkünfte sind
trotz einer leider notwendigen Verdichtung
zwischenzeitlich ausgelastet, so dass ak-
tuell eine dezentrale Unterbringung in leer-
stehenden städtischen Immobilien erfolgt.
Können Sie bei der Unterbringung Rück-
sicht auf Familien, Nationalitäten, religi-
öse und kulturelle Hintergründe nehmen?
Meerbusch verfügt über zwei großeAsyl-
bewerberunterkünfte, die in den Vorjahren
nie gänzlich ausgelastet werden mussten.
Insofern war es möglich und auch selbst-
verständlich, bei der Unterbringung auf in-
sah, wie Mitgefangene gefoltert und ge-
tötet wurden. Er selbst kammit Rippen-
brüchen und einer gebrochenen Nase da-
von.
Über den Libanon und Algerien ge-
langte er auf vielen Irr- und Umwegen nach
Libyen, wo er einem Schleuser seine letzte
Habe in die Hand drückte. Der Schleuser
verschaffte ihm einen Platz an Bord eines
Flüchtlingsbootes. 300 Leute zusammen-
gepfercht in einer 20 mal fünf Meter gro-
ßen Nussschale. Wie durch ein Wunder
erreichte das Boot die Küste Italiens.
Nun sitzen Harun und Alim im Büro von
Hauptproblem ist sicherlich die Unter-
bringung der zugewanderten Menschen und