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c a r i t a s
a k t u e l l
3 / 2 014
3
müssen. Sie bereiten die Flüchtlinge auf das
Asylverfahren vor, erklären Abläufe und
Zuständigkeiten. Sie haben viele dramati-
sche und aufwühlende Flüchtlingsgeschich-
ten gehört. „Das zehrt an den Kräften“, sagt
Maria Reinprecht-Kokkinis, Leiterin des
Caritas-Fachdienstes für Integration und
Migration (FIM). Aufgestockt wurde das
Personal für die Asylverfahrensberatung
nicht. Wie fast alle anderen Kommunen
kann auch Neuss den anschwellenden
Flüchtlingsstrom kaum bewältigen – weder
räumlich, noch finanziell.
HarunundAlimteilen sichmit insgesamt
sieben Männern ein Zwölf-Quadratme-
ter-Zimmer. In den anderen Räumen sieht
es nicht anders aus. Das birgt Konflikt-
potenzial. Doch das Klima imAlex ist noch
recht gut, sagt Luise Coun.
Auch die Zu-
sammenarbeit mit European Homecare
klappt. Übergriffe wie zum Beispiel in Bur-
bach gab es in Neuss bisher nicht. Der
Skandal hat den Blick auf die Unterbrin-
gung von Flüchtlingen gelenkt, sagt die
stellvertretende FIM-Leiterin Shirley Bon-
sels: „Es geht darum, Flüchtlingen eine
menschenwürdige Unterkunft zu bieten.“
So schwierig die Umstände sind: Harun
und Alim schauen nach vorn. Beide möch-
ten Deutsch lernen und hier arbeiten. Alim
kann sich vorstellen, irgendwann wieder
zurückzugehen – „wenn Assad weg ist“.
Bevor sein Leben zerbrach, studierte er In-
genieurwesen. „Syrien ist ein schönes Land.
Wenn ich zurückgehe, kann ich mithelfen,
es wieder aufzubauen.“ Für Harun ist es
schwieriger: Als Deserteur würde ihn in
der Assad-Armee die Todesstrafe erwarten.
Und bei den Aufständischen ist er als ehe-
maliger Soldat ein Geächteter. Darum gibt
es für ihn wohl kein Zurück: „In Syrien ist
viel zerstört worden – auch in mir.“
steigenden Flüchtlingszahlen umgeht
Hausmeister-Be-
treuung. Wie können Sie dieses hohe Un-
terstützungsniveau beibehalten?
Die 24-Stunden-Betreuung sowie die
sozialpädagogische Betreuung sind in
diesem Umfang sicher außergewöhnlich.
Sie tragen erheblich zu einem friedlichen
und angemessenen Miteinander bei. Trotz
der positivenAuswirkungen dieser inten-
siven Betreuung ist es in Anbetracht der
ohnehin hohen finanziellen Belastung der
Kommunen durch die Asylproblematik
wohl eher unwahrscheinlich, dass der
bisherige Standard aufrechterhalten wer-
den kann. Bereits jetzt müssen daher die
vorhandenen Personalressourcen auf
deutlich mehr zu betreuende Menschen
verteilt werden. Dies gilt für Verwaltung,
Hauswarte und sozialpädagogische Be-
treuung leider gleichermaßen.
dividuelle Hintergründe und familiäre Be-
züge Rücksicht zu nehmen. Durch die rasant
ansteigende Anzahl der unterzubringenden
Menschen haben sich diese Möglichkeiten
allerdings erheblich verringert; alle Bewoh-
ner müssen daher aktuell mehr Kompromis-
se machen und näher zusammenrücken.
Was passiert, wenn es in den Flüchtlings-
unterkünften zu Konflikten kommt?
Die Stadt Meerbusch
verfügt in ihren regulären
Unterkünften über einen
Hauswart- und Pforten-
dienst, der sicherstellt, dass
rund um die Uhr eine Person vor Ort ist, die
bei aufkommenden Konflikten angespro-
chen werden kann. Daneben dienen die so-
zialpädagogischen Fachkräfte von Caritas
und Diakonie den Bewohnern im Rahmen
der Sprechstunden als Ansprechpartner,
wenn es zu Unstimmigkeiten oder Un-
frieden kommt. Dennoch lassen sich Kon-
flikte in den voll belegten Häusern natürlich
nicht gänzlich vermeiden. Im Falle von kör-
perlicher Gewalt, wie auch bei Provokatio-
nen oder Bedrohungen, ist das Personal an-
gewiesen, die Verwaltung oder gegebenen-
falls unmittelbar die Polizei zu informieren,
um Eskalationen jeglicher Art zu verhin-
dern. Ein eigenes Ein-
schreiten durch körperli-
che oder auch psychische
Gewalt ist denMitarbeitern
ausdrücklich untersagt.
Die Stadt Meerbusch legt in ihrem Kon-
zept nicht nur Wert auf Unterbringung und
Verpflegung nach dem Motto „sicher und
satt“, sondern auch auf eine sozialarbeite-
rische Begleitung und eine 24-stündige
Luise Coun und erzählen ihre Geschichte.
Luise Coun und ihre Kollegin Gaby Tro-
ckel sind Mitarbeiterinnen des Caritas-
verbandes und zuständig für dieAsylver-
fahrensberatung in der „Zentralen Un-
terbringungseinrichtung Neuss“, wie das
„Alex“ seit drei Jahren heißt. ImNovem-
ber 2011 wurde es zur Flüchtlingsunter-
kunft umfunktioniert. 150 Bewohner wa-
ren es amAnfang. Inzwischen sind es 520.
Dahinter stehen 520 Einzelschicksale, de-
nen Luise Coun und Gaby Trockel mit zwei
Halbtagsstellen irgendwie gerecht werden
„Alle müssen
Kompromisse
machen und näher
zusammenrücken.“