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KOMPAKT 1/2014
P R A X I S K O N K R E T
Waldkindergartengruppe in Wipperfürth gestartet
Erste Waldgruppe des Erzbistums Köln ist eine von drei Gruppen der Kita St. Clemens
Der erste deutsche staatlich anerkannte
Waldkindergarten wurde 1993 in Flens-
burg eröffnet. Durch die intensiveÖffent-
lichkeitsarbeit und viele Besucher wurde
die Ideeweiter getragen. Es gründeten sich
weitere Waldkindergärten, begleitet von
zumTeil sehr kontroversenDiskussionen
in der pädagogischen Fachpresse. Heute
gibt es ca. 800 Einrichtungen dieser Art
in Deutschland.
Auf die Frage: „Was macht ihr den gan-
zen Tag imWald?“ antworten die Kinder:
„Wir laufen, spielen, singen, reden, lachen,
klettern. Das fassen die Fachkräfte zusam-
men in demSatz: „Wir lernen fürs Leben!“
In einem Waldkindergarten halten sich
dieKinder bei jedemWetter überwiegend
im Freien auf.
Kinder brauchen für ihre Entwicklung
nicht nur stabile Bindungen zu liebevollen
Menschen, sondern auch eine Beziehung
zur Natur und deren Elementen. In einer
Welt,die von einer permanentenReizüber-
futung geprägt ist, ermöglichen derWald
und die ungestaltete Natur einprägsame
Erfahrungen für Kinder.Hier erleben sie
im Jahreskreislauf wichtigeVorgänge des
Lebens, wie Wachstum, Vergänglichkeit,
Veränderung und Kontinuität.Außerdem
erleben sie dieNatur als ein lebendiges und
schützenswertes Gut.DieRolle der Erzie-
herin besteht hier darin, zu beobachten.Sie
unterstützt eventuell behutsam oder regt,
falls überhaupt nötig, neue Impulse an.
Kinder bewegen sich gerne! Die vielen
unterschiedlichen Bewegungsmöglichkei-
ten und Geländestrukturen fördern die
Motorik und denGleichgewichtssinn.Die
natürliche Umgebung ist komplexer als
die strukturierte, aber sie ist angepasst
an die kindlichen Fähigkeiten und das
individuelle Tempo.
Die unzähligen Sprachanlässe, die sich im
Waldkindergarten ergeben, fördern den
Wortschatz und die Ausdrucksfähigkeit
der Kinder.Kinder erfahren im Spiel und
im Gespräch mit den Erzieherinnen die
vielfältigenMöglichkeiten, ihreUmgebung
zu bezeichnen, z.B. einen Stock als: Ast,
kleiner Stamm (dieses ist eine Frage der
Perspektive!), Ästchen, Reiser, Reisig,
Stab, Rute, Zweig oder Stock.
Die Lernbereitschaft von Kindern in
Waldkindergärten ist groß.
„DieKinder dort erfnden ihre Spiele selbst,
sie lernen mit ihrem Körper umzugehen,
können sich besser orientieren, knüpfen
leichter soziale Kontakte und werden als
Wesen mit vielfältigen Fähigkeiten ange-
sprochen, die sie sind. Lernen, sagt Hirn-
forscher Gerald Hübner, hat weniger mit
Wissensaneignung zu tun alsmit Erfahrung.
Erfahrung vonFreiheit,wennKinder laufen
können ohne auf den Verkehr zu achten
und von Grenzen, wenn sie am Bach ste-
hen bleiben müssen, denn der lässt sich
nicht aufhalten. Erfahrung vom Nutzen
der Kreativität, etwas selbst zu erfnden,
etwas zu bauen, etwas eine Bedeutung zu
geben. Die Natur lehrt Empathie mit den
Geschöpfen, die das Kind umgeben, und
das Bewusstsein, selbst ein Teil von ihr zu
sein. Und nicht zuletzt lehrt sie uns Ge-
duld, wenn sie nicht nach unseren Regeln
funktioniert.“
(Gerald Hüther)
Ein Kind braucht spezifsche Rahmenbe-
dingungen, damit es seine Persönlichkeit
entwickeln kann. Es braucht geeignete
Hilfen und Anreize aus seiner sozialen
Umgebung, die darauf ausgerichtet sind,
seine natürlichen „Grundbedürfnisse“ zu
befriedigen und auszubauen, damit diese
langfristig erlebt werden können. Neben
Liebe, Zuneigung, Anerkennung, Lob,
Wertschätzung und sozialer Bindung stellt
Bewegung und Spiel ein solches grundle-
gendes Bedürfnis dar.
In keinem anderen Alter hat die Bewe-
gung so eine elementare Bedeutung wie
imKindesalter.Denn Kinder erschließen
sich ihre Umwelt über die Bewegung, das
experimentelleGreifen undTasten.Kinder
können stundenlang draußen allein for-
schend spielen um z.B. die Eigenschaften
eines Baumstammes zu analysieren.