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Kompakt Spezial 1/2013
m i c h a e l g ü m b e l
Von starken Erziehern und
einfühlsamen Erzieherinnen –
Geschlechterrollenbilder und psychische Belastungen im Kitaalltag
M i c h a e l G ü m b e l
Organisationsberater und Supervisor,
u. a. zu Betrieblichem Gesundheits
management und Gender-Themen in
Kitas
VieleBerufe sind auchheute noch sehr eng
mit einemGeschlechterbild verbunden.So
sprechen wir eher vom Feuerwehr
mann
und in der Kita sind es die Erzieher
innen.
In derArbeitswelt wird immer noch nach
Frauen- und Männerberufen unterschie-
den.
Abhängig von dem jeweiligen (Geschlech-
ter-)Image eines Berufs, also der Zuschrei-
bung „typischer“ Frauenberuf, wie z. B.
Erzieherin,oder „typischer“Männerberuf,
z. B. Maurer, ist auch die damit verbun
dene Wahrnehmung und Anerkennung
von Belastungen in diesem Beruf.
Zum Einstieg in das Thema wurde das
Forum mit einer Assoziationsübung
gestartet.
DieTeilnehmerinnen undTeilnehmer wur-
den nach Geschlecht getrennt und hatten
nun die Aufgabe, zügig und ohne „poli-
tische Korrektheit“ zusammenzutragen,
welcheBelastungenundRessourcen ihnen
bei der Kitaarbeit für das jeweils andere
Geschlecht spontan einfallen.Danach soll-
ten sie auch für das eigene Geschlecht
Belastungen und Ressourcen sammeln.
In der anschließenden Präsentationwurde
deutlich, dass einerseits schnell typische
Geschlechterrollenklischees abgeru-
fen werden können, wie zum Beispiel,
„Zickenkrieg“ als Belastung und „Empa-
thie“ als Ressource bei Erzieherinnen und
„Durchsetzungsfähigkeit“ als Ressource
bei den Erziehern.
In der folgenden Diskussion wurde aller-
dings ein sehr viel differenzierteres Bild
des Kitaalltags sichtbar,bei demdie Belas-
tungen in erster Linie sowohl Frauen als
auchMänner betreffen.Dennoch spielen
die Zuschreibungen, was dem einen oder
anderen Geschlecht leicht- oder schwer-
fällt, gerade in der Kita eine große Rolle.
Berufe mit Geschlechtergeschichte
Viele Berufe haben eine bedeutsame
Geschlechtergeschichte, die auch die
Wahrnehmung davon, welche Anforde-
rungen und Belastungen mit einemBeruf
verbunden sind, prägen. So gibt es „typi-
sche Männerberufe“, wie z. B. Pilot oder
Automechaniker, und „typische Frauen-
berufe“, wie z. B. Verkäuferin oder eben
Erzieherinnen.DieGeschichte der „Frau-
enberufe“ ist seit längerem erforscht.
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Bestimmte Probleme, die mit der Einord-
nung als „Frauenberuf“ verbunden sind,
prägen auch den Beruf der Erzieherin/des
Erziehers und spielen eine maßgebliche
Rolle dabei, dass der Beruf für Männer
oft zunächst unattraktiv erscheint.
dinationsstelle „Männer in Kitas“
(Hrsg.):
Männer in Kitas.
Opladen.
Berlin. Toronto. S. 183-197.
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jekt Frankfurt. Frankfurt a. M.
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2010:
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der Kindheit
vom 14.10.2010 (in der
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. In: TPS
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Männer in der
Sozialen Arbeit zwischen Rollen
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titätsfndung
. Unveröffentlichte
BA-Thesis am Fachbereich Soziale
Arbeit der Fachhochschule Frank-
furt am Main.
1 Vgl. Kerstin Rieder: Zwischen Lohnarbeit und
Liebesdienst. Juventa 1999, Christoph Sachße: Mütter-
lichkeit als Beruf, 2. Auf., Westdeutscher Verlag 1994.