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Kompakt Spezial 1/2013
D r . T i m R o h r m a n n
Fachkraft einMann ist. Fachkräfte berich-
ten vonunterschiedlichenErfahrungenmit
den Reaktionen vonVätern undMüttern
auf Männer in der Krippe. Der Kontakt
und der Austausch von Informationen
fnden meist mehr mit den Müttern statt.
WennKinder intensiveNähe zuErziehern
suchen, kann dies bei Eltern zu Unsicher-
heit und Eifersucht führen. Insbesondere
Väter können den männlichen Erzieher
als Konkurrenten erleben.
Möglicherweise ist es gerade für Väter
schwierig, ihr Kind an einen Mann abzu-
geben, weil dies auch Fragen nach ihrer
eigenen Beziehung zumKind aufwirft, die
meist weniger eng ist als die der Mutter.
Andererseits könnenmännlicheAnsprech-
partner gerade in der Krippe für Väter
besonders wichtig sein, denn in der ersten
Lebenszeit ihrer Kinder sind Väter gut
ansprechbar und oftmals bereit, Anre-
gungen aufzunehmen und neue Wege
einzuschlagen. So berichten Erzieher,
dass manche Männer gern das Tür-und-
Angel-Gespräch nutzen, z. B., um sich in
Erziehungsfragen einen Rat zu holen.
Arbeit mit Kleinkindern wird als
Bereicherung erlebt – von Frauen und
Männern
ZumAbschluss des Forums tauschten sich
dieTeilnehmerinnen undTeilnehmer darü-
ber aus, was dieArbeit mit unter Dreijäh-
rigen fürMänner interessant und attraktiv
macht.Es ergab sich ein breites Spektrum
von positiven Eindrücken.
Zunächst einmal macht dieArbeit mit den
Kleinsten einfach Spaß: „Kinderlachen,
Interesse, große Augen“ … Im Vorder-
grund steht dabei das intensive und berei-
chernde Miteinander, denn „die Kinder
geben viel zurück“.Die erstenLebensjahre
sind ein sehr spannendesAlter.Als beson-
ders beeindruckendwird die schnelle Ent-
wicklung erlebt, die bei den Kleinsten zu
beobachten ist.Kinder können dabei weit
mehr, als ihnen zugetraut wird.Dies faszi-
niert Frauen wie Männer gleichermaßen.
Positiv wird aber auch die Zusammen-
arbeit mit den Eltern gesehen, die „sehr
kommunikativ“ ist.Nicht nur Kinder sind
in diesemAlter sehr offen und lernbereit,
auch Eltern sind in dieser Zeit besonders
offen für Anregungen und neue Ideen.
Wie erwähnt sind männliche Fachkräfte
dabei insbesondere als Ansprechpartner
für Väter wichtig.
Angesprochen wurden auch positive
Erfahrungen im Team. Manche Teilneh-
mer konnten dem „exklusiven“ Dasein
als „Exot“ durchaus etwas abgewinnen.
Die Rolle und Kommunikation imTeam
wurden trotz (oder wegen?) des Sonder-
status als positiv erlebt.Andere hoben die
Selbstverständlichkeit hervor,mit der sie
als Teil des Teams von Kolleginnen und
– manchmal nach anfänglicher Unsicher-
heit – auch von Eltern akzeptiert werden.
Schließlich wurden die Entfaltungsmög-
lichkeiten betont, die dieses Arbeitsfeld
ermöglicht.Männer,diemitKleinstkindern
arbeiten, beschreiten Neuland. Sie tragen
dazu bei, ein „modernes“ Rollenbild zu
prägen und sind damitModelle sowohl für
Jungen als auch für junge Männer. Ihre
Tätigkeit ist daher nicht nur individuell
befriedigend, sondern auch gesellschaftlich
relevant, wie es ein Slogan nordamerika-
nischer Kinderbetreuer ausdrückt: „Men
who change nappies change the world!“
Gezielte Erfahrungen in der Arbeit mit
Kleinstkindern ermöglichen
Im Gegensatz zu diesen positiven Ein-
drücken steht die Erfahrung, dass es
bislang keine Bemühungen darum gibt,
Männer gezielt für dieses Arbeitsfeld zu
gewinnen – imGegenteil. ImRahmen der
Berufsorientierung und Berufsberatung
werden Männer kaum auf dieArbeit mit
kleinen Kindern als Möglichkeit hinge-
wiesen. Die Männer, die sich für diesen
Bereich entscheiden, haben (zunächst)
eher die Arbeit mit älteren Kindern und
Jugendlichen im Sinn. Mehrere Männer
berichteten, durch Zufall zur Arbeit mit
Kleinstkindern gekommen bzw. dort gera-
dezu hineingestoßen worden zu sein, z. B.
im FSJ – und erst so entdeckt zu haben,
dass diese Arbeit ihnen liegt und Spaß
macht.
Beklagt wurde,dass in derAusbildungVer-
tiefungsangebote zurArbeit mit 0-3-jähri-
gen Kindern vonMännern kaum besucht
werden.Vor diesemHintergrund könne es
durchaus richtig sein, Männer „ins kalte
Wasser zu werfen“, indem man sie z. B.
gezielt in Praktika mit Kleinstkindern
arbeiten lässt, vielleicht sogar Pflicht-
praktika in der Krippe in dieAusbildung
integriert. Die Erziehung kleiner Kinder
ist in großemAusmaß „learning by doing“,
und nur durch die praktische Erfahrung
lässt sich erleben, wie bereichernd diese
Arbeit sein kann.
Literatur
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