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Kompakt Spezial 1/2013
P r o f . D r . H o l g e r B r a n d e s
Auswertung der Ratings der Einzel
situationen (Mann/Frau-Tandems)
Im Folgenden werden die Ergebnisse der
deskriptivenAuswertung des Ratings der
Einzelsequenzen hinsichtlich des Interak-
tionsverhaltens der männlichen und weib-
lichen Fachkräfte dargestellt.
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Grundlage
sind 38 ausgewerteteMann/Frau-Tandems.
Einfühlsamkeit
Diese Dimension umfasst Items, die unter
verschiedenenAspekten auf die unter bin-
dungstheoretischer Perspektive zentrale
Qualität der Einfühlsamkeit abzielen.
Item
(1 = trifft nicht zu,
5 = trifft sehr zu)
Frauen
Männer
Erzieher/in reagiert
auf Äußerungen und
Regungen des Kindes
angemessen und
prompt (1.1)
3,68
3,63
Erzieher/in unterstützt
das Kind angemessen
(ohne unerbetene
Einmischungen und
Vorschriften) (1.3)
3,15
3,35
Erzieher/in gibt ange-
messene positive und
wertschätzende Rück-
meldungen (1.4)
3,32
3,18
DerVergleich derMittelwerte fürMänner
und Frauen ergibt nur minimale und nicht
signifkante Differenzen, die sich zudem
über die Items ausgleichen. Bezogen auf
dieseDimension zeigt sich inunserer Stich-
probe folglich
kein Geschlechtseffekt
und
auch die möglicheAnnahme, dass Frauen
in derAktivität mit Kindern einfühlsamer
sind, wird nicht bestätigt.
Herausforderung
Diese Dimension umfasst Items, die auf
Aspekte einer herausfordernden und
Exploration fördernden Interaktionsweise
abzielen.Ergänzend sind inAnlehnung an
König (2009) auch das Aktivitätsniveau
des Kindes und die Frage nach der Leis-
tungssituation einbezogen worden, da sie
korrespondierende Aspekte beinhalten.
Item
(1 = trifft nicht zu,
5 = trifft sehr zu)
Frauen Männer
Erzieher/in ermutigt das
Kind zum Experimentie-
ren und zur Auseinander-
setzung mit unbekannten
Problemstellungen (1.2)
2,51 2,68
Erzieher/in stellt Fragen,
die zum Nachdenken
anregen (2.3)
2,35 2,72
Das Kind verliert wäh-
rend der Aktivität das
Interesse und zeigt
Anzeichen von Lange-
weile (3.5)
1,77 1,70
Erzieher/in gestaltet die
Aktivität als Leistungssi-
tuation (3.6)
1,92 1,78
Die durch die Bindungsforschung nahe-
gelegte
Vermutung, dass Männer Kinder
stärker herausfordern,fndet sich in unserer
Stichprobe nicht bestätigt
. Nur der Unter-
schied hinsichtlich anregender Fragen ist
mit p= 0,083 nahe an Signifkanz.
Dialogische Interaktion
Diese Dimension umfasst Items, die sich
an den von König (2009) entwickelten
Items zur Qualität dialogischer Interak-
tion orientieren.
Item
(1 = trifft nicht zu,
5 = trifft sehr zu)
Frauen Männer
Erzieher/in greift Vor-
schläge und/oder Initiati-
ven des Kindes auf (2.1)
3,69 3,70
Erzieher/in wartet gedul-
dig Entscheidungen des
Kindes ab (2.2)
3,15 3,54
Erzieher/in ist dem Kind
zugewandt und sucht
den Blickkontakt (2.8)
3,75 3,76
Der Vergleich der Mittelwerte für Män-
ner und Frauen ergibt für zwei Items kei-
ne Differenzen. Die Männer in unserer
Stichprobe zeigen sich aber als deutlich
geduldiger und wartenmehr die Entschei-
dungen des Kindes ab.DieserUnterschied
in Item 2.2 ist statistisch signifkant auf
dem 5%-Niveau (p = 0,045).Davon abge-
sehen zeigt sich auch bezogen auf diese
Dimension in unserer Stichprobe
kein
Geschlechtseffekt.
Art der Kooperation
Die Items dieser Dimension sind weit-
gehend induktiv aus dem vorhandenen
Material entwickelt worden. Bei der
Erarbeitung des Ratinginstruments und
dessen Abgleichung an exemplarischen
Sequenzen zeigten sich deutlich interin-
dividuelleUnterschiede bzgl.der verbalen
bzw. handelnden Aktivität der Fachkräf-
te und imAspekt der Arbeitsteilung und
Abstimmung zwischenFachkraft undKind.
Dimension
(1 = trifft
nicht zu, 5 = trifft sehr
zu)
Frauen Männer
Erzieher/in beobachtet
das Kind und beteiligt
sich nur verbal (3.1)
2,25
2,36
Erzieher/in handelt
selbst und lässt das
Kind zuschauen (3.2)
2,18
2,06
Erzieher/in und Kind
verfolgen unterschied-
liche Teilprojekte in
paralleler Aktivität und
nur punktueller Abstim-
mung (3.3)
1,84
1,56
Beide arbeiten gemein-
sam an einem Objekt
bei kontinuierlicher
Abstimmung (3.4)
3,64
3,71
Hier zeigt sich alsTendenz in unserer Stich-
probe,dassErzieher sichetwasmehr ineine
Beobachterposition begeben als Erziehe-
rinnen undLetztere geringfügig stärker als
Erzieher selbst aktiv sind sowie das Kind
zuschauen lassen. Dem entspricht, dass
Erzieher häufger ein gemeinsames Projekt
gestalten undErzieherinnen eine Situation
des parallelenArbeitens an unterschied-
lichen Teilprojekten bevorzugen. Diese
Unterschiede sind aber ebenfalls gering
und nicht aussagekräftig (signifkant).
Betrachtet man aber das Geschlecht der
Kinder, zeigen sich in der Auswertung
bezüglich dieser Dimension aber signi-
fkante Unterschiede: So wird über alle
Fachkräfte (beiderlei Geschlechts) mit
Mädchen signifkant häufger in parallelen
Teilprojekten bei nur punktuellerAbstim-
mung gearbeitet alsmit Jungen (p = 0,004).
Kommunikationsstil
In der vierten Dimension geht es um
Kommunikationsstile, wobei einerseits
2 Die Reliabilität der Messung im Rating wurde mit
dem ICCMW unjust, random; Modell:Two‐Way‐Random;
Typ: Absolut Agreement überprüft; dabei lagen die Wer-
te für alle Items (außer 2.4) deutlich im Bereich über
ICC = .70, womit sie nach Wirtz und Caspar (2002)
reliabel sind.