Page 11 - geschlechterperspektiven

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Wenn Jungen und Mädchen unter sich sind, reproduzieren sie nicht selten
das, was sie kennen. Wenn sie beobachten, dass ein bestimmter Spielbereich
von einem Geschlecht dominiert wird, schlussfolgern sie: „Das ist nur was für
Mädchen!“ – „Das können nur Jungs!“. Sie orientieren sich oft an älteren Kindern
ihres Geschlechts, und sie ziehen sich an geschlechtstypisch vertraute Orte
zurück, wenn sie unsicher sind oder sich langweilen.
Entscheidend ist daher, dass pädagogische Fachkräfte die
Verantwortung für den
Dialog
übernehmen: mit Kindern ins Gespräch kommen, sie herausfordern und
dabei auch ihre eigenen Ideen, Sichtweisen und Erfahrungen einbringen.
Dass Kinder sich in erster Linie „selbst bilden“, bedeutet nicht, sie einfach nur
„spielen zu lassen“ (so wichtig das freie Spiel auch ist!), sondern schließt auch ein,
ihnen Themen und Erfahrungen zuzumuten, zu denen sie sonst keinen Zugang
fnden würden. Die australische Professorin für frühkindliche Bildung Glenda
MacNaughton (2000), hat dafür ein schönes Bild gefunden: wir können „alterna-
tive Fäden in die Geschichten der Kinder weben“.
In diesem Sinne verstehen sich Fachkräfte in katholischen Tageseinrichtungen für
Kinder als Begleiterinnen und Begleiter, Herausforderinnen und Herausforderer
und als Wegbereiterinnen und Wegbereiter für Dialog.
Pädagogische
Fachkräfte übernehmen
Verantwortung für Dialog
4 Geschlechterbewusste Pädagogik
4.1 Begriffs(er)klärungen
Früher wurden Männlichkeit und Weiblichkeit oft als entgegengesetzte und ein-
ander ausschließende Pole aufgefasst. Heute geht man eher davon aus, dass
ein Mensch sowohl „männliche“ als auch „weibliche“ Eigenschaften haben kann.
Begriffe werden allerdings auf ganz unterschiedlichen Ebenen verwendet. Gemeint
sein können u. a.
C
C
die biologischen Geschlechterunterschiede,
C
C
die Bündel von Verhaltensweisen, die traditionellerweise mit Männern bzw.
Frauen in Verbindung gebracht werden,
C
C
Annahmen über „natürliche“ Zusammenhänge zwischen dem biologischen
Geschlecht und bestimmten psychischen Eigenschaften,
C
C
Persönlichkeitsanteile, die direkt mit dem Geschlecht in Verbindung stehen,
z.B. Sexualität,
C
C
männliche und weibliche Identität im weiteren Sinn.
Zur Unterscheidung dieser Ebenen wurden verschiedene Begriffe einführt. Als
Sammelbegriff für alle mit Geschlechtsunterschieden verbundenen Eigenschaften,
Verhaltensweisen, sozialen Konstrukte usw., die nicht biologisch vorgegeben
sind, hat auch im deutschen Sprachraum der englische Begriff
gender
Verbreitung
gefunden.
Gender
bezeichnet in der englischen Sprache zunächst das grammatikalische
Geschlecht. Seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird der
Begriff dazu verwendet, soziale und psychologische Zuschreibungen an das
Geschlecht von der biologischen Geschlechtszugehörigkeit zu unterscheiden.
Zunächst wurde dies im Deutschen meist als „soziales“ im Gegensatz zum
„biologischen Geschlecht“ (engl.
sex
) übersetzt. Inzwischen ist
gender
„ein-
gedeutscht“ worden und wird in Zusammenstellungen wie „Genderwissen“,
„Genderkompetenz“ oder „Gendertraining“ verwendet.
Männlichkeit und
Weiblichkeit werden
unterschiedlich gedeutet
Gender: Sammelbegriff
für vielfältige
Geschlechter­unterschiede
Kap. 4 Geschlechterbewusste Pädagogik