Page 12 - geschlechterperspektiven

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Es ist wichtig, sich
über die Begriffe zu
verständigen
Gender Mainstreaming:
eine politische Strategie
Geschlechterfragen in den
Bildungsgrundsätzen des
Landes NRW
Gleichberechtigung ist ein
gemeinsames Anliegen
von Frauen und Männern
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Die Verwendung dieses Begriffs ist allerdings umstritten (vgl. Kardinal Lehmann,
2005).
Gender
wird als Synonym für Geschlechtertheorien gesehen, die die
Bedeutung der natürlichen Geschlechterunterschiede gänzlich in Frage stellen.
Papst Benedikt hat daher kritisiert: „Das Geschlecht ist nach dieser Philosophie
nicht mehr eine Vorgabe der Natur, die der Mensch annehmen und persönlich
mit Sinn erfüllen muss, sondern es ist eine soziale Rolle, über die man selbst
entscheidet, während bisher die Gesellschaft darüber entschieden habe“
(Weihnachtsansprache des Papstes, 2012). Kritisiert wird auch, dass in solchen
Konzepten der Bezug zur konkreten Leiblichkeit von Frauen und Männern ver-
loren gehen kann (vgl. Zentralstelle Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz,
2001, S. 21).
Aus der Fachdiskussion ist der
gender
-Begriff dennoch heute nicht mehr wegzu-
denken. Dabei ist aber nicht ein bestimmtes Verständnis des Begriffs festgeschrie-
ben. Oft wird er recht pauschal für alle Geschlechterthemen verwendet – z.B. wenn
Fachkräfte aufgefordert werden, die „Gender-Perspektive“ zu berücksichtigen,
ohne dass damit eine bestimmte theoretische Konzeption verbunden ist. Daher
ist es immer wieder erforderlich, sich über die Defnition und die Verwendung von
Begriffen zur Geschlechterthematik zu verständigen.
Kontroversen werden besonders an der Verwendung des Begriffs
Gender
Mainstreaming
deutlich. Dieses Konzept wurde seit den 90er Jahren etabliert
und ist eine Strategie für Politik und Verwaltung.
Mainstreaming
(engl.) bedeutet
wörtlich „in den Hauptstrom bringen“. Gemeint ist, dass geschlechtsbezogene
Fragen und das Ziel einer Gleichstellung von Frauen und Männern nicht mehr
als Spezialthema betrachtet, sondern in der ganzen Breite des Alltagshandelns
berücksichtigt werden sollen. Im Vordergrund steht dabei das früher mit dem
Begriff „Chancengleichheit“, heute als „Gleichstellung“ benannte Ziel gleicher
Möglichkeiten für Mädchen und Jungen (vgl. Rabe-Kleberg, 2003; Rohrmann,
2005). Auf europäischer Ebene wurde dies als verpfichtende Strategie für das
Verwaltungshandeln eingeführt.
Vor diesem Hintergrund fordern die Bildungsgrundsätze des Landes Nordrhein-
Westfalen dazu auf: „Stereotype Rollenvorstellungen und -zuordnungen – gleich
welchen Ansatzes – sind nicht mit dem Gedanken des Gender-Mainstreaming
vereinbar und daher zu vermeiden. Jedes Mädchen und jeder Junge soll ange-
nommen werden wie es/er ist und Unterstützung und Förderung in seiner indivi-
duellen Entwicklung erfahren“ (MGFFI 2010, S. 31).
Während dem zweiten Satz leicht zugestimmt werden kann, entzünden sich am
Konzept
Gender Mainstreaming
Kontroversen. Kritisiert wird zum einen, dass
es sich dabei um Gleichmacherei handele und naturgegebene Unterschiede
zwischen Frauen und Männern ignoriert würden; zum anderen, dass Gender
Mainstreaming oft nur ein neues Etikett für einseitige Frauenförderung sei, die zu
Lasten von Jungen und Männern gehe.
Wenig Kritik gibt es dagegen am ursprünglichen und bis heute gültigen Ziel von
Gender Mainstreaming, „bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedli-
chen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein
und regelmäßig zu berücksichtigen“, wie es die Bundesregierung aktuell formuliert
(BMFSFJ 2012).
Die Kontroversen um
Gender Mainstreaming
haben jedoch dazu geführt, dass
dieses Konzept aktuell nicht mehr im Vordergrund politischer Strategien zur
Gleichstellung steht. Geblieben ist jedoch die Erkenntnis, dass für Fragen der