Page 20 - geschlechterperspektiven

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7 Die Bildungsbereiche aus Geschlechterperspektive
Die folgenden Abschnitte geben Hinweise auf geschlechterbezogene Aspekte in
den verschiedenen Bildungsbereichen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Es
zeigt sich, dass eine geschlechterbewusste Sichtweise in
jedem
Bildungsbereich
von Bedeutung sein kann.
Vorbemerkung: Zur Defnition der Bildungsbereiche
Das Bildungskonzept der katholischen Tageseinrichtungen für Kinder im
Erzbistum Köln benennt ausgehend von der Bildungsvereinbarung NRW
(2003) fünf Bildungsbereiche. Die zwischenzeitlich erprobten Grundsätze zur
Bildungsförderung für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertageseinrichtungen und
Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen – mit dem Titel „Mehr Chancen
durch Bildung von Anfang an“ (2010) führen zehn Bildungsbereiche auf, die
Bildungs- und Erziehungsempfehlungen des Landes Rheinland-Pfalz (2004) elf
Bildungs- und Erziehungsbereiche, von denen einer noch weiter untergliedert ist.
Nachfolgend wird die Gliederung der Grundsätze zur Bildungsförderung (NRW)
übernommen und wo erforderlich durch Aspekte der anderen Leitlinien ergänzt.
7.1 Bewegung
Bewegungserfahrungen sind grundlegend für die Entwicklung der Gesamt­
persönlichkeit des Kindes. Das Bildungskonzept katholischer Tageseinrichtungen
betont daher die Wichtigkeit einer bewegungsfreundlichen Umgebung und einer
altersangemessenen Förderung von Bewegung (S. 28ff.). Der Bewegungsbereich
ist zugleich einer der Bereiche, in der geschlechtstypische Unterschiede im Alltag
von Kindertageseinrichtungen am deutlichsten sichtbar werden. Die Annahme,
dass Jungen einen „höheren Bewegungsdrang“ haben als Mädchen, ist weit ver-
breitet und wird, wie es im Wort „Drang“ schon anklingt, oft als biologisch verur-
sacht angesehen. Ein ständiges Thema im Alltag ist dabei das Raufen und Toben,
insbesondere der Jungen, mit dem viele Erzieherinnen immer wieder einmal ihre
Schwierigkeiten haben.
Eine aktuelle Studie zeigt allerdings auf, dass Erwartungen und Verhaltensweisen
von Eltern und Erzieherinnen erheblich zu Geschlechterunterschieden im
Bewegungsverhalten von Kindergartenkindern beitragen. „Mädchen und Jungen
werden von Erwachsenen in Bezug auf ihr Bewegungsverhalten meist unbewusst
unterschiedlich ermutigt, gewarnt, herausgefordert oder begrenzt“ (Hunger/
Zimmer, 2012, S. 9). Jungen werden subtil oder auch offen auf „Action“ vor-
bereitet, z.B. durch die Ermutigung zu kleinen Kämpfchen oder auch durch die
Annahme, dass Jungen sich „auspowern“ müssen. Mädchen wird zwar prinzipi-
ell wildes Verhalten durchaus zugestanden, in der Praxis werden jedoch koope-
rative und kreative Bewegungsmuster mehr gefördert. Mädchen lernen zudem
mehr, Bewegungsbedürfnisse zu unterdrücken und „still zu halten“. Da ihr
Bewegungsverhalten insgesamt unauffälliger ist und weniger stört, wird auch in
Kindertageseinrichtungen weniger darauf eingegangen. Typische Freizeitaktivitäten
entsprechen diesen Mustern: Jungen gehen zum Fußball, Mädchen zum Ballett.
Einschlägige Medien- und Spielzeugangebote sowie Kleidung und Accessoires
verstärken die geschlechtstypischen Tendenzen.
Ein geschlechterbewusster Blick im Bereich Körper und Bewegung ist selbst-
verständlicher Bestandteil von pädagogischen Konzepten der katholischen
Tageseinrichtungen.
Geschlechterfragen in
allen Bildungsbereichen
bedeutsam
Geschlechtstypische
Unterschiede besonders
deutlich