Page 21 - geschlechterperspektiven

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Im Bereich der geschlechterbewussten Pädagogik mit älteren Kindern und
Jugendlichen spielt der Bereich Körper und Bewegung eine zentrale Rolle.
Ausgehend von der Beobachtung, dass Jungen typischerweise mehr Raum ein-
nehmen und bei körperlichen Auseinandersetzungen geübter sind, sind Angebote
zur Selbstwahrnehmung und Selbstverteidigung seit langem „Klassiker“ der
Mädchenarbeit. Ansätze der Jungenarbeit wiederum greifen das Interesse und
den Spaß von Jungen an Bewegung, Sport und Kampf auf, verbinden damit aber
das Ziel eines bewussteren Umgangs mit dem eigenen Körper. Erkenntnisse über
Zusammenhänge von Geschlechtsidentität, geschlechtstypische Sozialisation,
Körper und Bewegungsverhalten bilden dafür eine wichtige Grundlage.
Für die pädagogische Praxis in katholischen Kindertageseinrichtungen ist es
wichtig, wilde Bewegungsspiele und körperliche Auseinandersetzungen nicht als
Gegenteil von Entspannung und sensibler Körperwahrnehmung zu sehen, son-
dern als eine wichtige Ergänzung – „wilde“ und „sanfte“ Körpererfahrungen gehö-
ren zusammen! Eine zeitweise Trennung von Mädchen und Jungen in diesem
Bereich – als „Experiment“ – wird dabei nicht nur von Kindern oft positiv aufgegrif-
fen, sondern kann den eigenen Blick für geschlechtsbezogene Zusammenhänge
schärfen. Dafür reicht manchmal schon ein einstündiges Angebot aus. Dies kann
der Anfang einer geschlechterbewussten Körper- und Bewegungserziehung sein.
Zum Weiterlesen
Hunger, Ina & Zimmer, Renate (2012). Jungen dürfen wild sein - Mädchen auch? Einfüsse
auf geschlechtsspezifsches Bewegungsverhalten. Kindergarten heute, 8/2012, 8-12.
Neuber, Nils (2009). Supermann kann Seilchen springen. Bewegung, Spiel und Sport mit
Jungen. Dortmund: Borgmann media. (… auch für Mädchen geeignet!)
7.2 Körper, Gesundheit und Ernährung
Die Ausbildung der Körpersinne und eine gute Körperwahrnehmung sind eine
wichtige Grundlage für gesunde Entwicklung. „Fühlen die Kinder sich in ihrem
Körper zu Hause, so fördert dies ein gesundes Selbstbewusstsein und eine posi-
tive Identitätsentwicklung“, wird im Bildungskonzept formuliert (S. 29).
Darüber hinaus haben katholische Tageseinrichtungen eine wichtige Aufgabe in
der Gesundheitsförderung und Prävention.
Schon im Kindergarten sind geschlechtstypische Unterschiede zu beobachten,
wenn es um den Umgang mit dem eigenen Körper, um Gesundheit und Krankheit
geht. Je älter Kinder werden, desto deutlicher fallen sie ins Auge. Kinder beginnen
schon früh, sich körperlich als Mädchen bzw. Jungen darzustellen. Das kann Spaß
machen – aber auch zu Selbstabwertung führen, wenn der eigene Körper nicht
den Idealen entspricht. Manchmal sprechen Mädchen bereits im Kindergarten
über Diäten, weil sie sich „zu dick“ fnden. Viele Jungen wiederum überschätzen
ihre körperlichen Möglichkeiten, um dem Bild zu genügen, dass Jungen „stark“
sind.
Geschlechterunterschiede sind weiter in Bezug auf wildes und riskantes Verhalten
sowie beim Umgang mit Schmerz festzustellen. Mädchen werden weniger dazu
ermutigt, ihre Grenzen zu erproben, setzen ihre körperlichen Möglichkeiten weniger
ein und sind manchmal übervorsichtig. Jungen begeben sich häufger in gefährliche
Situationen, um „ihre Männlichkeit zu beweisen“, oder überschreiten Grenzen, weil
sie kein „Feigling“ sein wollen. Bei Rangeleien gehen sie manchmal sehr rücksichts-
los mit sich und anderen um. Besonders Jungen, die viel in Auseinandersetzungen
verwickelt sind, haben oft eine schlechte Körperwahrnehmung und können die
„wilde“ und „sanfte“
Körpererfahrungen
können sich ergänzen
Jungen gehen anders mit
ihrem Körper um als
Mädchen
Kap. 7 Die Bildungsbereiche aus Geschlechterperspektive
Unterschiede in Bezug
auf wildes und riskantes
Verhalten