Page 23 - geschlechterperspektiven

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dass Kinder „Sprache in Sinn- und Handlungszusammenhängen quer durch alle
Bildungsbereiche“ lernen.
Auf geschlechtsbezogene Aspekte wird allerdings bundesweit weder in allgemei-
nen Leitlinien zur Sprachförderung noch in spezifschen Förderangeboten einge-
gangen. Dies ist erstaunlich, da viele Studien Geschlechterunterschiede in der
sprachlichen Entwicklung und den sprachlichen Fähigkeiten von Kindern belegen.
Schon zu Schulbeginn fallen Unterschiede im typischen Wortschatz von Mädchen
und Jungen auf, und die verbalen Fähigkeiten von Mädchen sind im Durchschnitt
besser. Best & Jampert stellen dazu fest, dass
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Erwachsene mit Jungen anders sprechen als mit Mädchen
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Die Suche von Mädchen und Jungen nach geschlechtlicher Identität sich
auch in ihren sprachlichen Aktivitäten ausdrückt
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JungenwieMädchen „ausgesprochensprachgewandt in ihrenSpezialgebieten“
sind, in Gebieten, die für sie weniger attraktiv sind, dagegen „kurz angebun-
den“ (2006, S. 30).
Die in der Kindheit entwickelten Kommunikationsstile legen die Grundlage für
das Kommunikationsverhalten – und die damit verbundenen Konfikte und
Missverständnisse zwischen Frauen und Männern (vgl. Tannen 1990). Wesentlich
für die sprachliche Entwicklung von Kindern sind das Vorbild der erwachsenen
Bezugspersonen und ihre Beziehung zu den Kindern. Sind dies überwiegend
Frauen mit typisch weiblichem Kommunikationsstil, dann werden sich mög-
licherweise ältere Mädchen oft an ihnen orientieren, wogegen ältere Jungen
sich von ihnen abgrenzen. Ist das Kommunikationsverhalten von Erzieherinnen
und Erziehern dagegen vielfältig und weniger geschlechtstypisch, dann kön-
nen sich auch die Interaktionen von Kindern vielfältig mit ihnen entwickeln. Eine
geschlechterbewusste Sprachförderung setzt daher eine Refexion des eige-
nen Kommunikationsverhaltens sowie ein Bemühen um geschlechtergerechte
Sprache voraus.
Davon ausgehend fördern katholische Tageseinrichtungen eine Erweiterung der
sprachlichen Fähigkeiten von Mädchen und Jungen. Dazu wird das geschlechts­
typische Sprachverhalten in den Blick genommen. Wie sprechen Jungen und
Mädchen, Männer und Frauen im Alltag, wie „reden“ männliche und weibliche
Figuren in Büchern und Filmen? Erleben Kinder auch Menschen oder Figuren, die
„untypisch“ sprechen? (vgl. Nitsche, 2010).
Eine wichtige Rolle für die Sprachförderung haben in den katholischen Tages­
einrichtungen Bilderbücher. Diese können stereotype Geschlechterbilder reprodu-
zieren – oder aber die Verhältnisse auf den Kopf stellen. Daher macht es Sinn, den
Buchbestand der Kindertageseinrichtung einmal aus Geschlechter­perspektive
zu refektieren. Anregungen dazu gibt die „Checkliste für Bilderbücher“ (siehe
Literatur zur Weiterarbeit). Untersuchungen zum Leseverhalten von älteren Kindern
und Jugendlichen weisen darüber hinaus darauf hin, dass Lesefähigkeiten und
Lesemotivation von Jungen geringer sind als die von Mädchen. Daher ist eine
wichtige Frage, wie insbesondere das Leseinteresse von Jungen angeregt und
weiter entwickelt werden kann. Dabei ist von Bedeutung, wer mit Kindern liest.
Laut einer aktuellen Studie ist Vorlesen Müttersache: Nur acht Prozent der Kinder
berichten, dass ihre Väter ihnen vorlesen. Die Autoren folgern: „Der Mangel an
männlichen Vorlese-Vorbildern und Lese-Ansprechpartnern führt aller Voraussicht
nach zu Beeinträchtigungen in der Lesesozialisation – insbesondere bei Jungen“
(Deutsche Bahn, 2008).
Geschlechterunterschiede
in der sprachlichen
Entwicklung
Vorbild der Erwachsenen
ist wesentlich
Bilderbücher können
Geschlechterbilder
erweitern
Kap. 7 Die Bildungsbereiche aus Geschlechterperspektive