Page 39 - geschlechterperspektiven

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Auf der Seite der Kinder scheint das Geschlecht dagegen in den ersten
Lebensjahren noch keine Rolle zu spielen. Geschlechtstypisches Verhalten tritt in
den ersten Lebensjahren noch nicht so deutlich in Erscheinung wie in der späteren
Entwicklung. Viele pädagogische Fachkräfte messen daher Geschlechterthemen
in den ersten Lebensjahren keine Bedeutung bei.
Auf der anderen Seite sind geschlechtsbezogene Erwartungen und Verhaltens­
weisen von
Erwachsenen
bereits in den ersten Lebensjahren von Kindern unüber-
sehbar – zum Beispiel daran, wie Eltern ihre Kinder anziehen oder ihnen die Haare
schneiden (oder auch nicht). Auch der Alltag in Kindertageseinrichtungen ist an
vielen Stellen von geschlechtsbezogenen Themen und Typisierungen durchzo-
gen, die allerdings zunächst weniger von den Kindern als von den Erwachsenen
ausgehen. Sie betreffen sowohl den Umgang mit Mädchen und Jungen als auch
die Gestaltung von Räumen und Material. Spätestens im zweiten Lebensjahr
beginnt zudem die eigenaktive Auseinandersetzung von Kindern mit geschlechts­
bezogenen Zusammenhängen. Insofern sind Geschlechteraspekte auch in der
Arbeit mit Kleinstkindern ein wichtiges Thema.
Über die Auswirkungen der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen
auf die geschlechtsbezogene Entwicklung von Kindern unter drei Jahren gibt es
jedoch nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse. Nahezu keine Aussagen gibt
es zur Umsetzung geschlechterbewusster Pädagogik in der Arbeit mit diesen
Kindern. In den Bildungsplänen und in Praxisprojekten wird eine geschlechts-
bezogene Arbeit mit Kindern unter drei Jahren kaum berücksichtigt. Auch spe-
zifsche Fachliteratur zur Berücksichtigung geschlechtsbezogener Aspekte in der
pädagogischen Arbeit mit Kleinstkindern gibt es kaum.
Im Alltag lassen sich jedoch bei genauerem Hinschauen viele Ansatzpunkte für
geschlechterbewusste Arbeit mit Kindern unter drei Jahren fnden. Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter von Krippen in München und Hannover, die sich intensiver mit
dem Thema befassten, stellten unter anderem fest:
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Jungen sind einfach „wichtiger“.
In Bilderbüchern, Liedern und Fingerspielen
kommen Jungen, Männer oder männliche Phantasiewesen erheblich häuf-
ger vor als Mädchen. Erwachsene werden oft stereotyp dargestellt. Dieses
Ungleichgewicht kann schon früh bei Mädchen und Jungen den Eindruck
erwecken, dass Jungen einfach wichtiger sind, dass es über sie mehr zu
erzählen gibt und ihr Leben vielfältiger und aufregender sein wird.
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Jungen wird mehr wildes Verhalten zugestanden.
Wenn kleine Jungen wild und
manchmal grenzenlos herumtoben, heißt es schnell „es ist nun mal ein Junge!“
Kleine Mädchen wiederum werden manchmal so „ausstaffert“, dass sie sich
gar nicht so frei bewegen können. Dabei sind bei genauerer Beobachtung
Mädchen und Jungen in diesem Alter gleichermaßen an Bewegung inte-
ressiert. Individuelle Unterschiede sind weit größer als geschlechtstypische
Tendenzen.
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Die Geschlechtsorgane der Mädchen werden seltener und später benannt
.
Wenn kleine Jungen z.B. beim Wickeln ihre Geschlechtsorgane entdecken,
bekommen sie dafür von den Erwachsenen meist kindliche Bezeichnungen
angeboten. Auch Mädchen entdecken ihre Geschlechtsorgane. Aufgrund
gesellschaftlicher Tabus fällt es vielen Erwachsenen bei Mädchen aber
schwerer, geeignete Worte zu fnden. Dabei ist gerade in dieser Altersstufe
das „einfühlsame sprachliche Begleiten“ der Entdeckung des eigenen Körpers
besonders wichtig.
Kap. 11 Geschlechteraspekte in der Arbeit mit Kindern unter 3 Jahren
Geschlechterthemen
auch für die Arbeit mit
Kindern unter drei Jahren
bedeutsam
Vielfältige Ansatzpunkte