Page 7 - geschlechterperspektiven

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In aktuellen Diskussionen werden sowohl die Einfüsse bewusster Erziehungs­
bemühungen als auch die Einfüsse von Genen, Hormonen und Gehirnstrukturen
eher überschätzt. Eher unterschätzt werden dagegen zum einen die Wirkung der
offensichtlichen Geschlechtsunterschiede auf Kinder, zum anderen der Beitrag
unbewusster Verhaltensweisen Erwachsener.
Unterschätzt wird schließlich der aktive Beitrag von Kindern (und Erwachsenen)
zur Herstellung von Geschlechtsunterschieden. Kinder setzen sich mit Anlagen
und Vorgaben der Umwelt auseinander und haben das
Bedürfnis
, die eigene
Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechtsidentität zu entwickeln und darzustel-
len. Geschlecht ist damit nicht nur etwas, was wir „von Natur aus“ sind oder was
uns beigebracht worden ist, sondern ganz wesentlich etwas, das wir in konkreten
Situationen „tun“.
Wie
Jungen, Mädchen oder auch pädagogische Fachkräfte das
tun – ob sie z.B. Geschlechtsunterschiede eher betonen oder herunterspielen, ob
sie sich an traditionellen Stereotypen orientieren oder diese vehement ablehnen,
hängt von der jeweiligen Situation ab – und ist in nicht geringem Maß ihre eigene
Entscheidung.
2.2 Als Mann und Frau schuf er sie – Geschlechterverhältnisse aus theolo-
gischer Sicht
In der Schöpfungsgeschichte heißt es: „Gott schuf also den Menschen als sein
Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ (1. Mose
1,26). Es bedeutet: „Das Höchste, was die Bibel über den Ursprung und das Ziel
des Menschen sagen kann, nämlich dass er von Gott kommt und auf das Bild
seines Schöpfers hin geschaffen ist, sagt sie von Mann und Frau gemeinsam aus“
(Kardinal Sterzinsky, 2001, S. 7). Dieses Wort aus dem Buch Genesis ist daher
theologischer Ausgangspunkt des katholischen Verständnisses des Miteinanders
von Frau und Mann. Es gibt nicht „den Menschen“, es gibt ihn als Frau und Mann,
beide „als sein Abbild“ und in Hinblick auf Wert und Würde gleich (Die Deutschen
Bischöfe, 1981, S. 12).
Diese Haltung der Anerkennung prägt auch die Botschaft des Evangeliums. Jesus
hat in seinem Leben die Erlösungsbotschaft Männern wie Frauen in gleicher
Weise zugesagt (Die Deutschen Bischöfe, 1981, S. 9). Es ist überliefert, dass er
eine für seine Zeit eher ungewöhnliche Haltung zu Frauen gehabt hat. In mehreren
Situationen bringt er Frauen bemerkenswerten Respekt entgegen. Unter seinen
Nachfolgern befanden sich auch mehrere Frauen (Lukas 8,2-3). Dies ist vor dem
Hintergrund zu sehen, dass er auch sonst keine Unterschiede machte und alle
Menschen, denen er begegnete, gleich behandelte. Auch Paulus verkündet, dass
der Glauben an Jesus Christus Geschlechterunterschiede aufhebt: „Es gibt nicht
mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr
alle seid «einer» in Christus Jesus“ (Gal 3, 28).
Insgesamt betont das Alte Testament die Unterschiedlichkeit, aber auch die
gegenseitige Ergänzung der Geschlechter. Die biblische Auffassung von der
menschlichen Geschlechtlichkeit stellt sich damit gegen Auffassungen von einer
fießenden oder beliebig veränderbaren Geschlechtsidentität.
Vielmehr setzt die Entwicklung der Geschlechtsidentität eine Annahme der eige-
nen männlichen oder weiblichen Leiblichkeit voraus. Diese allein ist allerdings
nicht hinreichend, um Mann oder Frau zu werden. „Die biologische Ausstattung
ist das Fundament, aber nicht das Haus. Ohne Fundament gibt es das Haus
nicht – aber auf das Haus kommt es an. Nur in ihm kann man wohnen und leben“
(Zentralstelle Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz, 2001, S. 26). Damit ist
eine aktive und selbst verantwortete Auseinandersetzung mit geschichtlichen und
kulturellen Vorgaben gemeint.
Kinder setzen sich
aktiv mit Geschlechter­
unterschieden auseinander
Gott schuf den Menschen
als Mann und Frau
Jesus behandelte Männer
und Frauen gleich
Die eigene männliche oder
weibliche Leiblichkeit
annehmen
Kap. 2 Kinder sind Jungen und Mädchen