Page 9 - geschlechterperspektiven

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Wenn Kinder unter sich sind, bevorzugen sie ab dem Vorschulalter gleichge-
schlechtliche Spielpartner und Freunde. Diese Tendenz verstärkt sich bis zum
Ende der Grundschulzeit. Die Erfahrungen in den Gleichgeschlechtlichengruppen
haben eine große Bedeutung für die Entwicklung der geschlechtlichen Identität.
Nicht zuletzt unterscheiden sich die Interaktionsstile, die Mädchen und Jungen
in ihren Gruppen entwickeln, zum Teil erheblich voneinander. Es kann daher von
zwei „Kulturen“ oder „Welten“ der Geschlechter gesprochen werden, auch wenn
das Ausmaß und die Bedeutung dieses Phänomens umstritten ist. Dies ist nicht
nur für das soziale Miteinander von Bedeutung, sondern wirkt sich auch entschei-
dend auf das Selbstkonzept und den Umgang mit Lernen und Leistung in der
Schule aus.
Da die Arbeit in katholischen Kindertageseinrichtungen zum großen Teil Gruppen­
arbeit ist, sind Erzieherinnen und Erzieher dazu aufgefordert, sich mit den
unterschiedlichen Umgangsformen und „Kulturen“ von Mädchen und Jungen
auseinanderzusetzen.
Gespräche mit Kindern ergeben oft ein überraschend breites Spektrum von
Erfahrungen und Einstellungen zu Geschlechterunterschieden. Viele Mädchen und
Jungen äußern allerdings ab dem Ende des Kindergartenalters sehr klischeehafte
Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit: Männer fahren Auto, Frauen
kochen; rosa ist weiblich, Pistolen sind männlich; … Dies liegt daran, dass sie in
diesem Alter die Geschlechtsstereotype erlernen, von denen unsere Gesellschaft
geprägt ist. Dabei verallgemeinern sie, was sie tagtäglich sehen und erleben, und
Ausnahmen bestätigen dabei nur die Regel. In ihrer weiteren Entwicklung wer-
den Kinder dann fexibler und können sich differenzierter äußern. Sie lernen, dass
geschlechtsbezogene Zuordnungen nicht für alle Jungen und Mädchen, Männer
und Frauen gelten, nicht für die eigenen Eltern, die besten Freunde und schon gar
nicht für einen selbst.
Gespräche mit Kindern
sind aufschlussreich
3 Bildung und Geschlecht in der frühen Kindheit
3.1 Bildung und Geschlecht
Dass Bildung viel mit dem Geschlecht zu tun hat, ist offensichtlich geworden,
seit auf manchmal dramatisierende Weise auf die schlechten Schulleistungen von
Jungen hingewiesen wird.
Mädchen haben in ihren Schulleistungen die Jungen überholt. Sowohl
Schulstatistiken als auch große internationale Schulleistungsstudien belegen
erhebliche Geschlechtsunterschiede in Schulleistungen und Schulerfolg (vgl.
Autorengruppe Bildungsberichtserstattung 2012; Diefenbach 2012).
Die PISA-Studien haben dabei den Blick insbesondere auf die weltweit schlech-
teren Durchschnittsergebnisse von Jungen im Lesen gelenkt. Statistiken zeigen,
dass Jungen häufger verspätet eingeschult werden und sitzen bleiben. Zwar
machen sowohl Jungen als auch Mädchen heute häufger Abitur als früher, aber
Mädchen haben auch hier inzwischen einen Vorsprung: der Frauenanteil an den
Absolventen mit Hochschulreife betrug 2012 54,4% (Statistisches Bundesamt
2012). Dies hat inzwischen dazu geführt, dass nicht selten von „Jungen als
Bildungsverlieren“ gesprochen wird (vgl. Hurrelmann/Schultz 2012).
In diesem Zusammenhang gerät nun der Elementarbereich in den Blick:
Defzite der Jungen, insbesondere im sprachlichen Bereich, werden mit man-
gelnder Förderung im Kindergarten in Verbindung gebracht. In den letz-
ten Jahren wurden daher mit erheblichem fnanziellen Einsatz Programme zur
Sprachförderung im Elementarbereich auf breiter Ebene eingeführt – die aller-
Schulerfolg von Jungen im
Durchschnitt geringer
Effektivität von
Sprachförderprogrammen
umstritten
Kap. 3 Bildung und Geschlecht in der frühen Kindheit
Gleichgeschlechtliche
Spielpartner von großer
Bedeutung