Page 51 - VORLAGE

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M Ä N N L I C H E F A C H K R Ä F T E G E W I N N E N U N D ( E I N ) B I N D E N
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Männliche Fachkräfte einbinden
Bei der Einbindung einer neuen männlichen Fachkraft in ein bislang reines Frauenteam,
kommt es unweigerlich dazu, dass das „Geschlecht“ zum Thema wird. Das Team sollte sich
daher bereits imVorfeld des Dienstantrittes auf den neuen Kollegen vorbereitet haben (siehe
auch Kapitel „Gender-Kompetenz im Team“). Die Gefahr bezüglich intensiver, vorbereiten-
der Maßnahmen liegt darin, den Dienstantritt des Mannes zum „Event“ zu stilisieren. Er wird
sprichwörtlich auf einen „Sockel gestellt“ (vgl. Friis 2006). Damit wird das Geschlecht der
Fachkraft aber weiter dramatisiert. Und dies kann sowohl für die männliche Fachkraft (z. B.
zu hohe Erwartungshaltungen), aber auch für Mitarbeiterinnen unangenehm sein, für letztere
sogar abwertend.
„Wenn der Stellenantritt eines Kinderbetreuers zu einem außerordentlichen Ereignis stilisiert
wird, kann dies bei Frauen, die diese Arbeit seit Jahren ohne große gesellschaftliche Beach-
tung machen, verständlicherweise zu Verärgerung führen“ (SKV 2010, S.13). Manchmal wer-
den männliche Fachkräfte vom Frauen-Team derart enthusiastisch und freudig empfangen,
dass ein Rückfall in traditionelle Geschlechterrollen droht. Daher sollte die Einführung der
männlichen Fachkraft, unabhängig von eventuell durchgeführten vorbereitenden Maßnah-
men, genauso erfolgen, wie es auch bei einer weiblichen Fachkraft der Fall wäre. Von nun an
gilt es, das Geschlecht der Fachkraft zu entdramatisieren. Und dies gewährleisten zu können,
gilt es, sich mögliche Geschlechterdynamiken in gemischten Teams bewusst zu machen.
Geschlechterdynamik in gemischten Teams
Die Gruppendynamik in geschlechterhomogenen und geschlechtergemischten Teams unter-
scheidet sich deutlich: Allein schon die Präsenz von Männern und Frauen ermöglicht neue
Projektionen und Zuschreibungen. Oft schleicht sich fast unmerklich eine bestimmte Rol-
len- und Aufgabenverteilung ein, die im Team zu Konfikten führen kann. Vielleicht gibt es
auch unterschiedliche Einstellungen, Bewertungen, Herangehensweisen? Um Missdeutung
und Konfrontation vorzubeugen, braucht es jedenfalls Sensibilisierung, Refexion und nicht
zuletzt methodische Zugänge wie den Geschlechterdialog.
Frauen unter sich
Viele Generationen von Erzieherinnen haben in einem – auf Ebene der erwachsenen Fach-
kräfte – weitgehend geschlechterhomogenen Raum gearbeitet: Frauen waren mehr oder
weniger unter sich. Kennzeichnend für geschlechterhomogene Gruppen ist es, dass das
(Gleich-)Geschlechtliche hinter andere Differenzierungsthemen zurücktritt. Wichtiger ist
hier deshalb in der Regel das Generationenverhältnis (alt und jung, Lebensalter, Berufser-
fahrung), die spezifsche Fachlichkeit (Grundausbildung, Abschlüsse, Zusatzqualifkationen),
Art und Umfang der Tätigkeit (Voll- oder Teilzeit, Spezial- und Leitungsaufgaben) oder die
Lebensform (z. B. Partnerschaft, Kinder, Familie).
Veränderte Situation
Diese Situation verändert sich, wenn aus einem geschlechterhomogenen ein geschlechterhe-
terogenes Team wird: Die genannten Differenzierungen bleiben zwar bestehen, aber insbe-
sondere das Geschlechtliche tritt jetzt deutlicher hervor; es bestimmt wieder mehr und domi-
niert sogar manchmal die Aufmerksamkeit. Nun gibt es auch geschlechtergemischte Teams,
die so tun, als ob das Geschlecht eigentlich egal wäre, aber meistens ist es einfach nicht zu
übersehen, wenn sich ein Mann (oder gleich mehrere) unter die Erzieherinnen mischt. Das
Miteinander, die Themen und Umgangsweisen scheinen sich dadurch „irgendwie“ zu verän-
dern, ohne dass schon immer ganz klar ist, wie und warum das geschieht.
Das Geschlecht ist allerdings eine der wichtigsten sozialen Kategorien unserer Kultur und
Gesellschaft, was entsprechend dieWahrnehmung und Bewertung sozialer Phänomene stark
prägt. Dies betrifft etwa geschlechterbezogene Rollenzuschreibungen und Verhaltenserwar-
c