Page 52 - VORLAGE

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M Ä N N E R U N D F R A U E N I N D E R K I T A
tungen, eine bestimmte Aufgabenverteilung zwischen Männern und Frauen, möglicherweise
auch recht unterschiedliche Lebenslagen, Biografen und Sozialisationserfahrungen. Im All-
tag macht es deshalb oft einen Unterschied, was ein Mann oder eine Frau, ein Vater oder
eine Mutter, eine Erzieherin oder ein Erzieher tun und sagen – und nicht zuletzt, wie sie es
tun und sagen. Genaugenommen ist dieser Unterschied jedoch nicht einfach da und gegeben,
vielmehr wird er „gemacht“:Was beim einen Geschlecht als selbstverständlich gilt, wird beim
anderen ganz besonders beobachtet, hervorgehoben oder gelobt.Was den einen fraglos zuge-
traut wird, erstaunt bei den anderen usw. Diese Dynamik und ihre Risiken sollte jedes Team
refektieren, in der fachlich gebotenen Weise bewältigen – nämlich gleichstellungsorientiert
sowie in einer Perspektive der Vielfalt im Geschlechtlichen – und womöglich ins Positive
wenden. Mit einer Orientierung an Diversity (positive Sicht und konstruktiver Nutzen von
sozialer Vielfalt) und Intersektionalität (Überschneidung von unterschiedlichen Benachteili-
gungsformen in einer Person) etwa kann es gelingen, geschlechterbezogene Engführungen zu
überwinden, ohne dass sich Geschlechterthemen gleich ganz aufösen. [...]
Kollegiale Auseinandersetzung
Im pädagogischen Alltag, in der kollegialen Auseinandersetzung, aber auch in der Fachdis-
kussion (und möglicherweise sogar im eigenen Selbstverständnis) sind Erzieher allerdings
durchaus widersprüchlichen Erwartungen ausgesetzt: Auf der einen Seite soll es mit ihnen
ganz anders oder zumindest etwas besser werden. Hier wird oft damit argumentiert, dass
Kinder, insbesondere Jungen, für ein gutes, gesundes Aufwachsen nicht nur Frauen, sondern
auch Männer brauchen – etwa als Vorbilder. Auf der anderen Seite soll sich aber auch nichts
Wesentliches ändern. Denn einmal hat auch das Bisherige, das ja über weite Strecken ohne
Männer auskam, seinen Wert, und zweitens soll das Geschlecht auch wieder nicht so wichtig
genommen werden; das Menschliche, Individuelle, Persönliche erscheint dann als umso wich-
tiger.Wozu sind also Männer in Kitas gut?
Genderperformanz
Diese Frage eröffnet ein spannendes Feld der Geschlechterdynamik, das von eigenen bio-
grafschen Erfahrungen, von Übertragungen (Reaktivierung alter, oft verdrängter Themen
der eigenen Kindheit in neuen Zusammenhängen) und Projektionen (unbewusstes Verlagern
eigener Wünsche, Emotionen oder Absichten auf andere), aber auch von fachlich fragwür-
digen oder noch nicht hinreichend geklärten Annahmen und Haltungen geprägt sein kann.
Mögliche Themen, Fragestellungen und Fallen bieten sich in Teams zuhauf: „Gibt es eine
geschlechtertypische Aufgabenteilung?“ – „Wie verhält es sich mit der Verteilung von Res-
sourcen und materiellen Geschlechterrepräsentanzen?“ – „Wie ist der Umgang mit Macht
und Hierarchie?“ – „Wer oder was ist Mamas oder Papas Kind?“ usw. Die entsprechenden
Phänomene der Geschlechterinteraktion sind nicht einfach gut oder schlecht, sondern fast
unvermeidbar, wenn Männer und Frauen zusammenarbeiten. (Sie sollten aber jedenfalls
fachlich zugänglich, zu klären und zu bearbeiten sein.) Denn man kann nicht so einfach „nicht
Geschlecht“ tun und quasi geschlechtsneutrale Fachkraft sein – insbesondere dann, wenn
auch das Gegenüber latente oder offenkundige Zuschreibungen macht. Und die speziellen
Erwartungen an Männer als Erzieher sind oftmals Legion. Es kommt also darauf an, wie
man etwas (das Geschlecht) tut – das gilt jedoch für alle, für Frauen und Männer, Erzieher
und Erzieherinnen. Deshalb müssen, wenn Männer neu in Teams kommen, auch die Frauen
über ihre Weiblichkeitsvorstellungen und -konstruktionen neu nachdenken. Das setzt eine
bestimmte Geschlechterdynamik erst mal in Gang. Auf einer fachlichen Ebene geht es dabei
um Phänomene des „Doing Gender“ oder der Genderperformanz (das konkrete soziale
Verhalten als Geschlechtswesen) und um die professionelle Sensibilisierung dafür. Insbe-
sondere geschlechtergemischte Teams brauchen hier ein Instrumentarium, um mit der Kate-
gorie Geschlecht bzw. Gender als Refexions-, Planungs- und Orientierungskriterium arbei-
ten zu können; sie brauchen also das, was man als Gender- oder Gleichstellungskompetenz
bezeichnet. Dazu gehören auch geschlechterpädagogische sowie geschlechter- und gleichstel-
c