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M Ä N N E R U N D F R A U E N I N D E R K I T A
Worauf ist diese Entwicklung zurückzuführen?
In verschiedenen Studien wird deutlich, dass die Gründe, die junge Männer davon abhalten,
sich für soziale und damit auch erzieherische Berufe zu interessieren, vielschichtig sind.
Zunächst ist dabei der Blick auf das Berufsorientierungsverhalten von Jungen zu richten:
Noch immer folgen die meisten männlichen Jugendlichen und jungen Männer bei der Wahl
ihrer Ausbildung bzw. ihres Studiengangs eher tradierten, d. h. geschlechtsstereotypen Mus-
tern. Dabei haben Jungen durchaus vielfältige Interessen und Kompetenzen, nutzen aber häu-
fg nur ein eingeschränktes Spektrum von Zukunftsoptionen. So konzentrierten sich im Jahr
2012 56,2 Prozent der jungen Männer bei der Ausbildungsplatzwahl auf 20 Berufe, darunter
nicht einer aus dem sozialen oder pfegerischen Bereich (vgl. Statistisches Bundesamt 2013).
In Studiengängen wie z. B. den Erziehungswissenschaften oder dem Pfegemanagement sind
Männer ebenso nach wie vor unterrepräsentiert.
Die starke Zurückhaltung wird häufg darauf zurückgeführt, dass soziale Berufe weiblich
kodiert sind, d. h. gering entlohnt werden, wenig gesellschaftliche Anerkennung erfahren und
kaum Karrierechancen beinhalten. Atypisches Berufswahlverhalten trägt die Gefahr von
Status- und Prestigeverlust als auch der potenziellen Bedrohung der „Männlichkeit“ in sich.
Wenn es um die höchst verunsichernden Entscheidungen in Bezug auf Arbeit und Beruf geht,
stellen Stereotype scheinbar eine Sicherheit für Jungen dar, genauso aber auch für deren
Eltern.
Als weitere Barriere ist die unentgeltliche, langjährige Ausbildung zu nennen, die sich ohne
staatliche Finanzierung (BAföG) bzw. ohne fnanzielle Unterstützung der Eltern nicht oder
nur unter starken Zusatzbelastungen durchlaufen lässt.
Doch es lassen sich noch weitere Barrieren benennen:
„Welches Wissen um die Profession Soziale Arbeit ist bei Schülern und Zivildienstleistenden
vorhanden?“, „Welchen Einfuss hat das Image der Sozialen Arbeit?“, „Welche Bedeutung
hat Männlichkeit für die Zugangsoptionen männlicher Jugendlicher zum Berufsfeld Sozia-
ler Arbeit?“ Interessante Ergebnisse hierzu liefert das Forschungsprojekt „Erhöhung des
Anteils männlicher Studierender im DEPARTMENT SOZIALE ARBEIT“ der Fakultät
Wirtschaft und Soziales der Hochschule fürAngewandteWissenschaft Hamburg. Im Rahmen
der Tagung „Männlichkeit undArbeit – Männlichkeit ohneArbeit?“ im Jahr 2009 in Stuttgart
zog Dr. Jürgen Budde folgendes Fazit:
„Zum Ersten zeigt sich, dass die befragten Schüler und Zivildienstleistenden kaum konkretes
(Professions-)Wissen über Soziale Arbeit besitzen.
Zum Zweiten hat das Image dieser Berufsfelder eine zentrale Bedeutung für die Berufswahl.
Entgegen der vereinfachenden Unterstellung, junge Männer würden aufgrund der weibli-
chen Kodierung davon abgehalten, sich für soziale Arbeit zu interessieren, zeigt die Untersu-
chung weiter, dass bei jungen Männern erst mangelnde Informationen über soziale Berufsfel-
der dazu führen, dass die bestehenden Informationsdefzite mit gesellschaftlichen – zumeist
eher geschlechterstereotypen und tendenziell negativ konnotierten – Vorstellungen ersetzt
werden.
Zum Dritten kommt der praktischen (Vor-)Erfahrung offenbar ein wichtiger Stellenwert zu.
Ein nicht unerheblicher Teil von jungen Männern verfügt über praktische (Vor-)Erfahrung,
das führt jedoch nicht „automatisch“ zu einer Berufswahl zugunsten sozialer Berufe, biswei-
len wird die Ablehnung dadurch sogar eher bestätigt.
Es wird deutlich, dass die Vorstellung, der zufolge junge Männer sozialen Tätigkeiten tenden-
ziell ablehnend gegenüberstehen, zu kurz greift. Im Gegenteil, an der lebensweltlichen Rea-
lität eines Viertels der jungen Männer der Studie geht diese geschlechterstereotype Unter-
stellung vorbei. Soziale /pädagogische Berufe stellen für sie keine Ausnahme, sondern eine
biographisch-geschlechtliche Passung dar“ (Budde 2009, S. 10).