16
KOMPAKT 2/2013
M A R I O B R A U N / D A N I E L A S T E F F E S
insbesondere für Jungen in Kita-Räumen
zu kurz. Sie ermöglichenGruppeninterak-
tionen, was wiederum für das geschlech-
terübergreifende Spiel förderlich ist. Sie
ermöglichen es Kindern zudem, sich unge-
hindert in geschlechtsatypische Spielsitua-
tionen zu bewegen, ohne dabei den ihnen
‚zugedachten‘ Spielbereich aktiv verlassen
und in einen ‚fremden‘ Bereich wechseln
zu müssen.
Undwennüber dieNutzung vonKita-Räu-
men nachgedacht wird, sollte unbedingt
geschaut werden, welche Orte in ihnen
geeignete (Vor-)Leseplätze sind.
Geschlecht als Thema in Kinderbüchern
Bücher sind als Medium in der Kita eta-
bliert. Sie laden zur Kommunikation ein,
regen die sprachliche Entwicklung der
Kinder an und vermitteln Realitäten
unserer Welt auf eine kindgerechte Art
und Weise. Zugleich sind Kinderbücher
geeignet, Stereotype zu transportieren
und damit für Kinder zur Normalität zu
erklären. In der alltäglichen pädagogischen
Arbeit sollte daher ein gendersensibler
Blick auf Kinderbücher erfolgen.
UnterAspekten der Geschlechtersensibi-
lität auf Kinderbücher zu schauen bedeu-
tet zuerst eine Refexion darüber, welche
Bilder in den vorhandenen Büchern ver-
mittelt werden.Wer übernimmt in den vor-
handenen Büchern welche Rollen? Gibt
es fürsorgliche Jungs, abenteuerlustige
Mädchen? Finden sich in Familie engagier-
te Väter, berufstätige Frauen in den Bü-
chern?Auch das Nachvollziehen typischer
Verläufe der Kinderbuch-Geschichten ist
unter Genderaspekten sinnvoll.Geboten
ist es ob der Bedeutung von Büchern im
Kita-Alltag ebenso, eine möglichst viel-
fältige Abbildung unserer Gesellschaft,
unsererVorstellungen vomLeben und der
Menschen in ihren Besonderheiten in den
für die Kinder zur Verfügung stehenden
Büchern zu erreichen.
Das aus dem EU-Förderprogramm Leo-
nardodaVinci geförderteProjekt „Gender
Loops“ entwickelte zahlreiche Instrumen-
te für die Refexion des Kindergarten-
Alltags imBezug zumThema Geschlech-
tergerechtigkeit.Die Instrumente stehen
allen interessierten Kitas zur Nutzung zur
Verfügung und können beispielsweise auf
der Webseite
her-
untergeladen werden. Neben Hinweisen
für die Kinderbuch-Analyse fnden sich
bei Gender Loops auch umfangreiche
Kinderbuchempfehlungen, die die oben
dargestellte Bandbreite anThemen für die
kindlicheAuseinandersetzungmit denRe-
alitäten unsererWelt ermöglichen. Emp-
fehlenswerteKinderbücher sind ebenso im
Dokumentencenter des Projekts MAIK
zu fnden.
Ist der Bilder- bzw. Kinderbuchbestand
in der Kita analysiert und gegebenenfalls
erweitert, folgt als nächster Schritt dessen
sensibleNutzung.Bilderbücher laden zum
Gespräch ein,könnenAusgangspunkt oder
Beitrag für die Auseinandersetzung mit
Alltagsthemen sein.
Kindliches Spiel und Rollenbilder
Auch im alltäglichen Spiel der Kinder
fndet die Konstruktion von Rollenbil-
dern statt. Deswegen ist es sinnvoll, sich
dieses Spiel auch als Handlungsfeld einer
auf Geschlechtergerechtigkeit gerichteten
Pädagogik zu betrachten.
Krenz (vgl. 2001:8f) beschreibt die Bedeu-
tung des kindlichen Spiels als Element
und Grundlage gelingenden Lernens zu-
gleich:„Alles,wasKinder sehen und hören,
fühlen, in Händen halten und begreifen,
wird schnell zum Spiel. Ob es das Ziehen
von Mustern auf dem Kartoffelbrei, das
Selbstunterhaltungsspiel beimAnziehen,
das Grimassenschneiden beim Waschen
vor dem Spiegel, das Aufheben undWer-
fen eines Steines oder das Klettern auf
einen Baum ist: Sofort entsteht schnell
eine Spielhandlung.“
Gleiches gilt für das Nachahmen erwach-
senenRollenverhaltens.Kinder setzen sich
in ihremTun beständigmit ihrer gesamten
Umwelt auseinander. Sie „[…] wollen sie
entdecken, verstehen, sich ihren Gesetz-
mäßigkeiten annähern und sichmit unbe-
kannten Dingen vertraut machen (ebd.)“
Kinder erfahren insofern ihre Welt aus
einer eigenständigen Perspektive ständig
neu.
In diesem Neuentdeckten zeichnet sich
zugleich der Einfuss der erwachsenen
Vorbilder ab, sofern es um vermeintlich
typische bzw. um wahrnehmbar zuge-
schriebene Handlungen geht. Orientiert
am Vorbild stellen Kinder im Spiel so
stereotype Verhaltensweisen nach und
verstärken diese unbewusst in ihrer nach-
haltigenWirkung auf die eigeneVerortung
in der Welt. Es braucht daher zum einen
die konstruktive Begleitung des Spiels der
Kinder, nötigenfalls auch die Irritation
der von den Kindern als unhinterfragbar
wahrgenommenen Regeln und Rituale
in der Erwachsenenwelt. Andererseits
müssen Erzieher/innen sich als Vorbild
für das kindliche Nachstellen des Erwach-
senenlebens verstehen und dies auch auf
die geschlechtliche Selbstwahrnehmung
beziehen. Je stärker Erzieher/innen also
etwa stereotypes Rollenverhalten an den
Tag legen, destomehr werdenKinder dies
als geltende Realität im Verhältnis der
Geschlechter wahrnehmen und für sich
übernehmen.
„Was Kinder brauchen, ist eine unmittel-
bareWelt und ein entsprechendes Bedin-
gungsgefüge,die ihnen erlauben, intensives
Spielen mit aktiven Erzieher/innen und
Eltern als Mitspieler/innen zu erleben.
Spielen unterstützt die Lernfreude, die
Lernmotivation und damit dieNeugierde“
(Krenz 2008:9) – auch auf den möglichen
eigenen Platz in derWelt.Heuteweißman,
dass Neugierde die Voraussetzung zum
Lernen ist.
Dabei gilt:
Alles, was wir die Kinder lehren, kön-
nen sie nicht mehr selbst entdecken und
damit wirklich lernen. Spiele vollziehen
sich nicht geradlinig auf Tischen, sondern
geschehen dort, wo das Leben pulsiert:
in spannenden Projekten, in Höhlen und
Buden, auf Bäumen und auf dem Boden,
in selbst gebautenHütten, imWald und auf
Wiesen, inKnicks und imBuschwerk,beim
Hämmern und Sägen, Laufen und Bud-
deln, Schätze entdecken, bei lebendigen
Festen und geheimnisvollenErkundungen
(vgl. ebd.). Dort spielt sich das wirkliche
Leben ab und dort wird im Spiel auch
Geschlecht „hergestellt“.
Spielangebote der Erzieher/innen sollten
im Übrigen die bekanntenVorlieben der
Jungen und der Mädchen gleichermaßen
berücksichtigen. Versucht werden kann
zudem eine Zusammenführung bzw.
Veränderung von Spielen in einerWeise,