Page 34 - vaeterarbeit

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V ä t e r i n d e r K i t a
Nach der Begrüßung und dem Beziehen der Zimmer treffen sich alle gemeinsam zumAbend-
essen. Dann folgt ein ausführliches Kennenlernen, bei dem sich Väter und Kinder mit ihren
Lieblingsbeschäftigungen, die sie miteinander haben, vorstellen. Dabei stört es kaum, dass
in der Mitte des Kreises gerade ein riesiger Turm gebaut wird – und dass dieser ab und an
zusammenbricht.
Zur Schlafenszeit bekommen die Kleinen Geschichten vorgelesen. Unter den beruhigenden
Klängen einer Klangschale geht der Abend für sie zu Ende. Die Väter treffen sich mit dem
Babyfon im Handgepäck. Schnell geht es zur Sache. Es gibt großen Bedarf, sich über die
unterschiedlichen Lebenssituationen auszutauschen. Hierbei spielt das Thema „Trennung
und dennoch Vater bleiben“ eine große Rolle. Immer wieder mal meldet sich ein elektroni-
scher Kinderbeobachter und ein Vater sprintet ins Zimmer. Kurze Unterbrechung, dann geht
es weiter.
Das zentrale und verbindende Thema des ersten Abends ist: Was gehört zum Mannsein und
was zum Vatersein? Wir sammeln Zuschreibungen für beides. Nach anfänglicher Hemmung,
die Attribute auf eigens dafür gemalte Körperbilder zu schreiben, gibt es bald kein Halten
mehr. Der Mann kommt dabei weitgehend positiv weg, wird als vital, wütend, suchend und
seine Sache vorantreibend gesehen. Der Vater dagegen wird eher zurückhaltend, verunsi-
chert, und berufich vereinnahmt beschrieben.An diesemAbend kommen sich der Mann und
Vater wieder etwas näher.
Der nächste Tag steht im Zeichen von Sandspielplatz- und Schaukelorgien, Spaziergängen
inklusive Wasserfallbesuch und vielen Einzelgesprächen von Vater zu Vater. Am Abend las-
sen sich alle vom Feuer wärmen und hören Gutenachtgeschichten. Nach dem Einschlafen der
Kinder steht der Abend unter dem Thema „Angenehme Situationen für Väter“. Ein Video-
flm mit Interviews zur Frage, was Väter gerne mit ihren Kindern unternehmen und wobei sie
sich wohl fühlen, macht den Anfang. Daraus entwickelt sich ein impulsives Gespräch über
Mann,Vater und vor allem Partner sein.Wie habe ich mir das Leben als Vater vorgestellt und
was ist daraus geworden? Wie hat sich die Paarbeziehung durch die Elternschaft verändert?
Wie kam es zur Trennung? Gibt es noch die gegenseitige Anziehung zwischen Mann und
Frau? Wann habe ich eigentlich das letzte Mal etwas mit meiner Frau gemeinsam unternom-
men? Bist du mit deiner Frau eigentlich noch intim?
Vor ein Uhr morgens ist keiner im Bett.
Um sechs Uhr sind die ersten Kinder wach. Am Vormittag ist noch einmal Zeit zum Spielen
und Singen. ZumAbschluss gibt es ein „Väter-Zertifkat“ mit Vater-Kind-Foto und dokumen-
tierten Erfahrungen sowie guten Wünschen aller Teilnehmer. Die Kommentare reichen von
„große Klasse“ über „viel Eifel fürs Geld“ bis zu „jede Menge Männer- und Väterpower“.
„Wollen wir uns nicht noch mal treffen, kann ich eine Telefonliste haben?“ Im Rückblick
haben sich offensichtlich alle Kinder und Erwachsenen sehr wohl gefühlt. Nach dem Mittag-
essen und einer Abschiedsrunde geht es auf die Heimreise. Der Abschied fällt nicht leicht.
Das Wochenende hatte eine ganz besondere Note von offener Begegnung und schnell wach-
sender Vertrautheit. Väter sind zunächst eher zurückhaltend im Umgang mit kleinen Kin-
dern; sie trauen sich selbst erst mal nicht so viel zu. Sie respektieren die Nähe von Mutter und
Kind während Geburt und Stillphase. Manch einer fühlt sich verunsichert im Umgang mit
dem Säugling und fndet dann nicht den Anschluss, hält sich aus der Pfege und Betreuung
raus, konzentriert sich auf die Einkommenssicherung. Oft sind Väter und auch Mütter mit
dieser Entwicklung unzufrieden – hatten sie sich doch vor der Geburt eine gleichberechtigte
Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit vorgestellt.
Die Erfahrungen während des Vater-Kind-Wochenendes zeigen, dass Männer ihre eigenen
Umgangsformen mit Kindern haben und dafür einen Raum von Akzeptanz, Gelassenheit
und Wertschätzung benötigen. Zumeist zeigt sich, dass auch Väter für ihr Kind gut allein
sorgen können und motiviert sind, künftig mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Solche Ange-
bote tragen deutlich zur Stärkung des väterlichen Selbstvertrauens bei. Sie fördern die aktive
Vaterschaft von Anfang an und stärken damit die Bindung zwischen Vater und Kind.
Gerd Mokros ist als Väter-
berater bei der esperanza-
Väterberatungsstelle in Bonn
tätig.