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Väter schauen anders auf die Kinder als die Mütter.
Sie sehen Kinder in anderem Lichte, nehmen andere Stär-
ken wahr, trauen ihnen andere Sachen zu. Überhaupt
bieten sie den Kindern eine zweite Chance, die elterliche
Liebe zu spüren und Selbstvertrauen zu entwickeln.Wenn
Kinder den stolzen Glanz in denAugen ihres Vaters sehen
und erkennen, dass sie die Ursache für diese Wärme sind,
entwickeln sie ein gesundes Urvertrauen und eine sichere,
stabile Bindung auch zumVater von Anfang an.
Väter begegnen den Kindern im Alltag anders.
Väter sehen anders aus, sie riechen anders, sie sprechen
anders, sie tragen ihre Kinder anders, sie wickeln und pfe-
gen anders, sie füttern anders und spielen anders. DieViel-
falt der sinnlichen und körperlichen Erfahrungen tut Kin-
dern gut. Der Entwicklungspsychologe Jean Le Camus hat
untersucht, wie diese Unterschiede wirken: Zum Beispiel
lernen Kinder leichter, schneller und besser sprechen,
wenn neben den Müttern auch die Väter viel mit ihnen
reden, weil die Väter meist kürzere und eingängig betonte
Sätze bilden.
Väter erziehen Kinder auch anders.
Väter haben ihre eigenen Werte und Normen, die als
Ergänzung zu den mütterlichen Einstellungen viele Kin-
der anregen, über Gott und die Welt nachzudenken. Die
individuelle Vorstellungswelt des Vaters kommt zu der
der Mutter hinzu und weitet den Wertehorizont des Kin-
des. Es bekommt einen Vorgeschmack auf die Vielfalt und
Buntheit der Welt, auf Pluralismus und Individualität.
Konkret sieht das so aus, dass Väter ihre Kinder häufg
zu mehr Leistungen anspornen, sie zu größeren Risiken
ermuntern, sich im Spiel intensiver auf sie einlassen und
sie großzügiger ausprobieren und Grenzen testen lassen.
Väter differenzieren in ihrem Verhalten stärker nach dem
Geschlecht des Kindes.
Viele Väter spielen sanfter mit Mädchen und wilder mit
Jungen. Sie heben die Weiblichkeit der Mädchen und die
Männlichkeit der Jungen in ihren Äußerungen stärker
hervor. Sie sind strenger und direktiver mit den Jungen
und weicher, vorsichtiger und unterstützender mit den
Mädchen. Viele Entwicklungspsychologen bezeichnen
diesen geschlechtersensiblen Umgang mittlerweile als den
wichtigsten originären Beitrag von Vätern. Zugleich aber
handelt es sich hier um eine besondere Herausforderung,
da starre Geschlechtsrollen der Individualität der Kinder
widersprechen.
Väter erleichtern die Ablösung von der Mutter.
Die Entwicklungspsychologie hat herausgefunden, dass
die Triangulation, also das Hinzukommen eines Dritten
in eine intensive Zweierbeziehung, eine besondere Ent-
wicklungschance bietet. Das kleine Kind kann mit Vaters
Hilfe leichter in die weite Welt aufbrechen. Viele Eltern
und Tageseinrichtungen nutzen dies zum Beispiel für die
Eingewöhnungsphase, die Väter manchmal leichter mit
ihren Kindern bestehen können als die Mütter.
Väter sind wichtige Rollenvorbilder.
Für Jungen hat das Verhalten des Vaters eine unmittelbare
Wirkung. Sie können ihn direkt imitieren. Ein Vater, der
begeistert mit seinem Sohn kocht, gärtnert, malt, Bücher
liest, Ball spielt, handwerklich aktiv ist, fndet häufg einen
begeisterten Nachahmer. Aber auch viele Mädchen wol-
len ihrem Vater nahe sein und sich auszeichnen in Berei-
chen, die den Vater interessieren. Auch sie achten sehr
genau darauf, wann der VaterWertschätzung oder Missbil-
ligung zeigt und suchen Bereiche, wo sie ihm ähnlich sein
können. Besonders beobachten Mädchen und Jungen die
Beziehung ihrer Eltern und lernen daraus vieles für die
Gestaltung von Beziehungen und die eigene Geschlech-
terrolle.
Väter sind als aktive Erziehungspartner gefordert.
Eine partnerschaftliche, liebevolle Paarbeziehung strahlt
in die Eltern-Kind-Beziehung hinein. Väter, die sich Zeit
für Kinder nehmen, tun der Familie gut. Wenn sie sich
von Anfang an bei der Pfege, Betreuung und Erziehung
beteiligen, fnden Mütter wichtige Freiräume für eigene
Interessen, berufiche Entwicklungen und Erholung. Die
individuell auszuhandelnde, faire Aufgabenteilung zwi-
schen Müttern und Vätern ermöglicht Zufriedenheit und
Ausgeglichenheit beider Eltern, die wiederum den Kin-
dern unmittelbar zugutekommen.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für
Familienfragen (Hg.)
A u s g a n g s l a g e
Väter und Mütter sind dabei nicht als grundsätzlich gegensätzlich zu betrachten. Vielmehr
können beide Eltern gleichermaßen lernen, auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen.
Die Fähigkeit zur Fürsorge für Kinder ist nicht angeboren, sondern wesentlich „learning by
doing“. Ergebnisse der Babyforschung zeigen, dass die Kommunikation zwischen Eltern und
Kleinkind nicht vom Geschlecht abhängt. Der französische Psychologe Jean Le Camus stellt
dazu fest: „Mutter und Vater stellen sich beinahe auf gleiche Weise auf das Entwicklungsni-
veau des Babys ein“ (Le Camus, 2001, S. 58).