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c a r i t a s
a k t u e l l
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Fachdienst für Integration und Migration
Maria Reinprecht-Kokkinis
Salzstr. 55
41460 Neuss
Tel.: 02131 / 26 93 10
maria.reinprecht@caritas-neuss.de
te Bilanz für jemand, der vor zweiein-
halb Jahren bei null angefangen hat. „Ich
kämpfe für ein besseres Leben“, sagt
Mihaela L.
Inzwischen fühlt sie sich nicht mehr
ganz so fremd in Deutschland. Die Nach-
barn um ihre neue Wohnung sind nett. Das
Getuschel wird weniger. Mihaela L. ist der
lebende Gegenbeweis zum dumpfen Kli-
schee vom Armutsflüchtling und Sozial-
schmarotzer. Sie kann den Leuten sagen,
wer sie ist und warum sie hier ist. Sie kann
von ihrem Traum erzählen: „Eine Familie
gründen. Ein würdevolles Leben.“
Interview mit FIM-Leiterin Maria Reinprecht-Kokkinis:
„Zuwanderer sind Teil unserer Gesellschaft“
Caritas aktuell:
Warum ist die Zuwanderung von Menschen aus Rumänien und
Bulgarien derzeit so ein großes Thema?
Maria Reinprecht-Kokkinis:
Bei dieser Zuwanderung geht es um EU-Binnen-
migration, also um Bürger, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen,
das am 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist. Die Ursache für den Anstieg der Zuwan-
derung aus Bulgarien und Rumänien liegt in den schlechten wirtschaftlichen Rah-
menbedingungen. In beiden Ländern herrscht große Arbeitslosigkeit, und es gibt
keine angemessene Gesundheitsversorgung oder soziale Mindestsicherung. Hinzu
kommt, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen – insbesondere Roma – von massiver
sozialer oder politischer Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen sind. Neben
vielen gut qualifizierten Arbeitskräften sind unter den Zuwanderern auch solche, die
nur über einen niedrigen Bildungsabschluss verfügen und keine oder nur geringe
berufliche Qualifikationen vorweisen. Fehlende Kenntnisse zu den Rechten und
Pflichten, die mit der Freizügigkeit in Verbindung stehen, führen nicht selten zu pre-
kären Arbeitsverhältnissen.
Vor welchen Schwierigkeiten stehen die Zuwanderer in Deutschland?
Es gibt erhebliche Probleme, eine Arbeit und angemessenen, bezahlbaren Wohn-
raum zu finden, die Gesundheitsversorgung sicher zu stellen und für die Kinder
einen Platz in der Kindertagesstätte oder Schule zu finden. Dies stellt sowohl die
Betroffenen als auch die aufnehmenden
Kommunen vor große Herausforderun-
gen, besonders dann, wenn sich die Zu-
wanderer auf bestimmte Kommunen bzw.
Stadtteile konzentrieren. Hier kocht dann
auch das Thema „Armutszuwanderung“
hoch. Anspruch auf SGB-Leistungen
haben Zuwanderer aber erst, wenn sie ei-
nen sozialversicherungspflichtigen Job
hatten und arbeitslos geworden sind. Da-
durch, dass die EU-Bürger und ihre Fami-
lienangehörigen zum Zweck der Arbeits-
suche einreisen, besteht ein Leistungs-
ausschluss für Ausländer in den ersten
drei Monaten des Aufenthalts.
Was ist zu tun?
Wichtig ist, Bedingungen zu schaffen,
um Zuwanderern Zugang zu adäquaten
Bildungsangeboten und zumArbeitsmarkt zu ermöglichen, um sie vor Ausgrenzung
und Ausbeutung zu schützen. Handlungsbedarf besteht u.a. auch bei den Integrati-
onskursen. Hier ist es wünschenswert, kostenlose oder kostengünstige Sprachange-
bote zu ermöglichen. Thematisiert und aufgearbeitet werden müssen auch diskrimi-
nierende und antiziganistische Haltungen, die in der hiesigen Gesellschaft deutlich
geworden sind. Hier müssen Beratungs- und Unterstützungsangebote geschaffen
und verstärkt gefördert werden.
Zuwanderer sind Teil unserer Gesellschaft. Wir können nicht für Zuwanderung
werben, um den Fachkräftemangel zu beheben, und gleichzeitig die Freizügigkeit
von EU-Bürgern aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen in Frage stellen. Es wird
leider immer nur von den Zuwanderern gesprochen, die keine Arbeit finden und auf
Transferleistungen angewiesen sind, aber nicht von denen, die hier arbeiten und auch
in unser Sozialsystem einzahlen.