Page 6 - caritas-aktuel-2-13

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Stefanie Sütfels ergänzt: „Ist die Sucht
noch nicht chronifiziert, ist es leichter, ab-
stinent zu werden und zu bleiben. Außer-
dem lässt sich das Ruder in jungen Jahren
leichter herumreißen, wenn noch keine
Beziehung gescheitert ist, keine Kinder die
Leidtragenden sind und möglicherweise
verpasste Schul- oder Ausbildungsab-
schlüsse noch einigermaßen leicht nachge-
holt werden können.“
Die Therapiegruppe gibt keine Hand-
lungsanleitung. Ein Patentrezept gegen
Sucht existiert nicht. In der Gruppe geht
es vielmehr um Selbsterkenntnis und
Selbsthilfe.
Im Mittelpunkt stehen laut
Stefanie Sütfels die Fragen: „Wofür steht
das Suchtmittel? Welches Bedürfnis stille
ich damit? Und wie kann ich es anders stil-
len?“ Antworten auf diese Fragen müssen
die Teilnehmer selbst finden. Meist gelingt
das. Dazu trägt die Gruppe sehr stark bei.
Schon die Erfahrung, mit einem Problem
nicht allein zu sein, hilft sehr. Das gegen-
seitige Bestärken, das Lob bei Erfolgen,
das Mut machen bei Rückschlägen – all
das schweißt zusammen. Die Identifikation
mit und innerhalb der Gruppe ist enorm.
c a r i t a s
a k t u e l l
2 / 2013
6
Gemeinsam gegen die Sucht
Bedürfnisse und Problematiken junger
Erwachsener ein.
Themen sind zum Bei-
spiel Freundschaften, Schule, Ausbildung,
persönliche Orientierung oder die Abnabe-
lung von Zuhause. Das neue Angebot trägt
einem unschönen Trend Rechnung: „Im-
mer mehr Jugendliche und junge Erwach-
sene nehmen Kontakt zu uns auf wegen
eines sich anbahnenden Suchtproblems
oder einer schon bestehenden Abhängig-
keit“, sagt Andrea Groß-Reuter, Leiterin
Beratung und Rehabilitation. Das Spek-
trum der Versuchungen ist vielfältig und
reicht von Alkohol über Amphetamine und
Cannabis bis hin zu härteren Drogen. Auch
Essstörungen spielen zunehmend eine Rolle.
Mit zeitlicher Verzögerung spiegeln sich
hier gesellschaftliche Trends. Als vor sie-
ben, acht JahrenAlcopops angesagt waren,
versprach die Werbung jugendlichen Kon-
sumenten in wunderschönen Bildern quasi
Party und Freiheit aus der Flasche. „Viele,
die das damals geglaubt haben, sind heute
unsere Klienten“, sagt Stefanie Sütfels, zu-
ständig für Beratung und ambulante Reha-
bilitation.
All das heißt nicht, dass die umfangrei-
chen Präventionsprogramme der letzten
Jahre – vom Caritasverband bis zur Bun-
deszentrale für gesundheitliche Aufklärung
– für die Katz waren. Zum einen hat bei-
spielsweise der Pro-Kopf-Konsum von
Alkohol abgenommen (während das so ge-
nannte „Rauschtrinken“ leider zugenom-
men hat), erklärt Weege. Zum anderen hat
die Aufklärungsarbeit, die die Caritas-
Suchtkrankenhilfe mit dem PrEvent-Mobil
zum Beispiel in Schulen oder auf Stadt-
und Schützenfesten leistet, ein Problembe-
wusstsein geweckt.
„Vor 15 Jahren ha-
ben Abhängige auch schon im Jugend-
alter mit dem Suchtmittelkonsum be-
gonnen, sind aber erst mit Mitte 30, An-
fang 40 zu uns gekommen“, erinnert
sichAndrea Groß-Reuter. „Darum ist es
positiv, dass die jungen Leute heute we-
sentlich früher kommen, und zwar be-
vor jahrelanger Konsum schon psychi-
sche oder körperliche Schäden hinter-
lassen hat.“
Julia (Name geändert) hat acht Näch-
te hintereinander nicht geschlafen.
Die
junge Frau ist verzweifelt, als sie bei Mi-
chael Weege anruft. Die 23-Jährige hat
monatelang Alkohol und Cannabis kon-
sumiert – bis sie selbst merkte, dass sie ei-
ne Grenze überschritt. Ihre persönlichen
Kontakte drehten sich fast nur noch um
Suchtmittel und deren Beschaffung. Julia
zog die Reißleine und stellte den Drogen-
konsum komplett ein. Ein mutiger Schritt –
und ein dringend notwendiger: Denn Julia
hat eine Ausbildungsstelle in Aussicht, die
sie in Kürze antreten will. Dafür verlangt
der künftige Arbeitgeber einen Drogentest.
In vielen Branchen ist das mittlerweile üb-
lich, sagt Michael Weege, Präventionsbe-
auftragter bei der Caritas-Suchtkrankenhilfe.
Er beruhigt Julia, die neben den massi-
ven Schlafstörungen auch unter Herzrasen
und Unruhe leidet. Was die junge Frau
durchlebt, sind Entzugserscheinungen. Ei-
ne normale, wenn auch in diesem Einzel-
fall sehr starke Reaktion eines von Sucht-
mitteln abhängigen Körpers. Weege spricht
Julia Mut zu. Den ersten schwierigen
Schritt weg von den Drogen hat sie schon
getan. Jetzt gilt es, die Motivation zu stär-
ken, damit Julia ihren eingeschlagenen
Weg weitergehen kann.
Dafür hat die Caritas-Suchtkranken-
hilfe nun ein passgenaues Angebot: eine
Ambulante Rehabilitationsgruppe für
junge Erwachsene zwischen 18 und 35
Jahren. In therapeutischen Einzelge-
sprächen und einer wöchentlichen Grup-
pensitzung geht sie besonders auf die