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Sonderausgabe
Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz
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Immer mehr Arbeitslosewerden
zu Schuldnern der Jobcenter
Weil der Regelsatz nicht ausreicht, sind Hartz-IV-Empfänger gezwungen, Darlehen aufzunehmen
I
mmer mehr Hartz-IV-Empfänger haben
Schulden beim Jobcenter. Ein nicht aus-
reichender Regelsatz zwinge Arbeitslose
dazu, sich Geld zu leihen, so die Natio-
nale Armutskonferenz. Im vergangenen
Jahr wurden dazu jeden Monat 6,8 Millionen
Euro verliehen, 2010 waren es vier Millionen
Euro.
Rund 225 000 Darlehen werden jährlich
bundesweit für Waschmaschinen, Kühlschrän-
ke, die Übernahme der Stromschulden oder
Mietkautionen von den Jobcentern gewährt,
weil die Menschen nicht in der Lage sind, aus
den im Sozialgesetzbuch (SGB) II gewährten
Pauschalen die Zahlungen zu leisten. Für die
Anschaffung und Reparatur etwa von Kühl-
schränken oder Waschmaschinen ist im Regel-
satz ein Betrag von lediglich drei Euro im
Monat vorgesehen. Davon soll dann ein Kühl-
schrank angespart werden – oder man ist eben
gezwungen, auf ein Darlehen des Jobcenters
zurückzugreifen. Die Schulden werden getilgt,
indem pro Monat zehn Prozent vom – als Exi-
stenzminimum geltenden – Regelsatz einbe-
halten werden. Dadurch wird der Regelbedarf
über viele Monate hinweg gemindert. Fällt in
demselben Zeitraum noch eine Reparatur an,
schrumpft der Regelbedarf deutlich unter das
Existenzminimum.
„Es kann nicht sein, dass der Regelsatz so
niedrig bemessen ist, dass er Langzeitarbeits-
lose zwingt, beim Jobcenter Darlehen aufzu-
nehmen, die sie kaum mehr zurückzahlen kön-
nen“, so Dr. Frank Johannes Hensel, Sprecher
der Nationalen Armutskonferenz. Die aktuelle
Förderpraxis sei weder bedarfsgerecht, noch
ermögliche sie Hartz-IV-Empfängern gesell-
schaftliche Teilhabe. Hensel: „Wenn Hartz-
IV-Empfängern ein Mindestmaß an Teilhabe
möglich sein soll, dürfen wir sie nicht auch
noch zu Schuldnern der Jobcenter machen.“
Kühlschränke, Waschmaschinen und ähnliche
Anschaffungen müssten als einmalige Leistun-
gen vom Jobcenter gesondert und vollständig
finanziert werden.
Ausweglose Lage: Zehntausende Hartz-IV-Empfänger haben Schulden beim Jobcenter
Barbara Bechtloff
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