caritas
aktuell
1/ 2015
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sums. Ihre Antwort darauf: Noch mehr
Kontrolle, noch weniger Kalorien, noch
mehr Training. Willkommen im Teufels-
kreis.
„Wenn ein bestimmter Punkt überschrit-
ten ist, hält eine Essstörung sich selbst auf-
recht“, sagt Lea Sliwak. Die Psychologin
ist Mitarbeiterin der Caritas-Suchthilfe und
arbeitet intensiv in der Beratung von essge-
störten Menschen.
Seit einem Jahr bietet
die Caritas mit Unterstützung des Rhein-
Kreises Neuss jeden Mittwoch von 18.30
bis 20 Uhr eine Offene Sprechstunde
zum Thema Essstörungen an. Jeder
kann kommen: Betroffene, Angehörige,
aber auch Lehrer, die sich über das The-
ma informieren möchten oder die sich
Sorgen um Schülerinnen oder Schüler
machen, die Symptome einer Essstörung
zeigen.
In der Sprechstunde gibt es Ant-
worten auf viele Fragen: Welche Formen
von Essstörungen gibt es? Wie machen sie
sich bemerkbar? Habe ich eine Essstörung?
Hat mein Kind eine Essstörung? Welche
Therapiemöglichkeiten gibt es?
Die Nachfrage nach Beratung und The-
rapie ist groß. Das Thema Essstörungen
nimmt in der Arbeit der Caritas Suchthilfe
immer breiteren Raum ein, sagt Andrea
Groß-Reuter, Leiterin des Bereichs Bera-
tung und Rehabilitation in der Fachambu-
lanz für Suchtkranke. Diese Beobachtung
deckt sich mit den Ergebnissen des Kinder-
und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS)
des Robert Koch-Instituts:
Bei etwa einem
Fünftel aller 11- bis 17-Jährigen in
Deutschland liegt ein Verdacht auf eine
Essstörung vor. Bei jedem dritten Mäd-
Jennifers Leidensweg begann mit ei-
nem Kompliment. „Abgenommen?“,
fragte eine Mitschülerin. „Sieht gut
aus.“ Jennifer (Name geändert) hatte ei-
ne kleine Diät eingelegt und vier Kilo
abgenommen. Sie fühlte sich wohler, fit-
ter, leistungsfähiger. Die 15-Jährige
empfand es als positiv, sich selbst und
ihren Körper kontrollieren zu können.
Es war ein schleichender Prozess, in dem
aus dem positiven Gefühl der Selbstkon-
trolle ein selbstzerstörerischer Kontroll-
zwang wurde. Jennifer begann, Kalorien
zu zählen – mit dem gleichen Ehrgeiz und
Perfektionismus, mit dem sie auch in der
Schule gute Noten einfuhr. Sie überschlug
ständig, wie viele Kalorien welches Le-
bensmittel auf ihrem Teller oder in ihrer
Pausenbrotdose hatte. Und sie wusste im-
mer, wieviel Kalorien sie maximal zu sich
nehmen durfte, um weiter abzunehmen.
Sie steigerte ihre sportlichen Aktivitäten
bis an die Grenze des Exzessiven.
Jennifer schrieb schlechtere Noten, und
ihre sportlichen Leistungen stagnierten,
trotz des enorm gesteigerten Trainingspen-
Für ihre Weihnachtsspende hat die EGN Entsorgungsgesellschaft Niederrhein 2014
das Projekt KiZ (Kids im Zentrum) ausgewählt. Hier bieten die Caritas Sozialdienste
Rhein-Kreis Neuss Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien einenAnlauf-
punkt und sozialpädagogische Betreuung.
„Suchtprobleme von Eltern oder erwachsenen wichtigen Bezugspersonen stellen ein
erhebliches eigenes Gesundheitsrisiko für Kinder und Jugendliche dar“, beschreibt Bär-
bel Rosengart (Leiterin KiZ) die problematische Situation der jungen Menschen. „Wir
machen ihnen und auch den betroffenen erwachsenen Personen speziell auf sie zuge-
schnittene Angebote. Sie zielen auf eine langfristige Vorbeugung und Verminderung bzw.
Beseitigung von Entwicklungshemmungen.“ Caritas Geschäftsführer Norbert Kallen
freut sich mit seinem Team: „Mit den zusätzlichen Spendengeldern können unsere frei-
zeitpädagogischen und kulturellen Angebote, aber auch die Ferienfreizeiten, die wir mit
den Kindern verbringen, finanziert werden.“
EGN-Weihnachtsspende für KiZ
Wenn aus Selbstkontrolle
Selbstzerstörung wird