caritas aktuell - Ausgabe 01/2016 - page 2

caritas
aktuell
1/ 2016
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Nach einem ersten Gespräch mit Clau-
dia Wöhrmann verschaffte sich Giasemina
Müller einen Überblick, kontaktierte Ju-
gendamt, Sozialamt und Jobcenter. Es stell-
te sich heraus, dass 2.800 Euro Mietrück-
stände aufgelaufen waren – und dass der
Ehemann erheblich
mit den Unter-
haltszahlungen
im Verzug
war.Wieviel
Un t e r ha l t
ihr zustand,
wusste Claudia
Wöhrmann gar nicht.
Ihr Mann pflegte ihr das Geld in bar auf die
Hand zu geben – mal 50 Euro, mal 200 Eu-
ro. Stets verbunden mit Druck und Dro-
hungen.
Mit Hilfe von Giasemina Müller gelang
es, die Mietrückstände auszugleichen
und die Räumungsklage abzuwenden.
Die Unterhaltszahlungen werden nun auf
ein Konto überwiesen. Claudia Wöhrmann
hat wieder ein wenig Zuversicht gefasst:
„Ich möchte einen Neuanfang machen.
„Räumungsklagen treffen oft alleinerzie-
hende Frauen“, erläutert Giasemina Mül-
ler. „Viele haben mit ihrem Partner in ei-
nem Abhängigkeitsverhältnis gelebt. Der
psychosoziale Druck ist enorm, gerade
wenn die Einkommensverhältnisse prekär
sind. Zwei fehlende Mieten reichen schon
für eine Räumungsklage.“
Allein in den
drei Monaten seit dem Dienstantritt von
Giasemina Müller im November 2015
gab es im Zuständigkeitsbereich der Ca-
ritas-Mitarbeiterin 40 Räumungsklagen.
Die Tendenz ist steigend.
Die Situation
verschärft sich noch durch die Tatsache,
dass im Einzugsbereich inzwischen 400
Liebe Leserinnen und Leser,
Wohnen ist ein Grundrecht. Das ist im
Grundgesetz verankert („Die Wohnung ist
unverletzlich“). Das Dach über dem Kopf
ist vordergründig und in der urspünglichs-
ten Grundfunktion ein Schutz vor Wind
und Wetter. Die Wohnung ist aber viel
mehr: Sie ist unser Rückzugsort, unser si-
cherer Hafen, der räumliche Fixpunkt un-
seres Lebens.
Mehr als 70 Jahre nach dem Zweiten
Wohnen ist ein Grundrecht
Schwerpunkt
Wohnungsnot
Weltkrieg können sich die meisten von uns
nicht mehr vorstellen, was es heißt, kein
Dach über dem Kopf zu haben. Für Betrof-
fene ist Wohnungslosigkeit oder drohende
Wohnungslosigkeit eine furchtbare Erfah-
rung. Es bedeutet, schutzlos zu sein, ver-
letzlich zu sein, kein „Zuhause“ zu haben.
Es gibt in unserer Gesellschaft – auch im
Rhein-Kreis Neuss – immer mehr Men-
schen, die keine Wohnung haben oder den
Verlust ihrer Wohnung fürchten müssen.
Wir sollten uns stets vergegenwärtigen,
dass Wohnen ein Grundrecht ist – und zwar
unabhängig vom Einkommen und vom
sozialen Status. Und wir sollten auf allen
Ebenen für dieses Grundrecht eintreten.
40 Räumungsklagen – Tendenz steigt
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