caritas aktuell - Ausgabe 01/2017 - page 3

caritas
aktuell
1/ 2017
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Kinderarmut hat viele Gesichter, sagt
Irmhild Figgen. Die Leiterin der Kita
Sonnenschein sieht sie täglich.
Sie sieht
nicht nur materielle Armut. Natürlich, die
ist am vordergründigsten in einem bedürf-
tigen Stadtteil wie dem Barbaraviertel in
Neuss, wo die Kita Sonnenschein liegt. Die
Arbeitslosenquote und der Anteil über-
schuldeter Haushalte liegen hier weit über
Wider die emotionale Armut
der im Barbaraviertel leben.
Oft können
oder wollen Eltern ihnen keine Geschichte
vorlesen, weil sie selbst nicht mit Büchern
aufgewachsen sind. Und so läuft in vielen
Haushalten gleich nach demAufstehen der
Fernseher in Dauerschleife. Mancher Ein-
jährige hat noch nie ein Buch
gesehen, weiß aber, wie
man auf dem Smart-
phone der Eltern Youtube-Videos guckt.
All das beeinträchtigt die Entwicklung des
Konzentrationsvermögens. Oft zeigt sich
im Kita-Alltag, dass Kinder bei Heraus-
forderungen schnell aufgeben und kein
Durchhaltevermögen haben. Emotionale
Armut wirkt sich auch auf das Sozialver-
halten aus: „Viele Kinder kennen keine
Grenzen und tun sich schwer, soziale
Werte zu entwickeln“, so die Kita-Leiterin.
Das den Eltern klar zu machen, ge-
hört zu den Hauptaufgaben der Kita
Sonnenschein. Darum ist sie seit zwei
Jahren plusKita.
„Die plusKita ist eine
Kindertageseinrichtung mit einem hohen
Anteil von Kindern mit besonderem Un-
terstützungsbedarf des Bildungsprozes-
ses“, so steht es im Kinderbildungsgesetz
des Landes NRW. 25.000 Euro pro Kita
werden als Landeszuschuss gewährt. Die
Kita Sonnenschein kann damit eine
zusätzliche halbe Stelle finanzie-
ren, erläutert Meike Braß, Lei-
terin des Caritas-Fachbereichs
Familie und Jugend. Insge-
samt stellt das Land für das
plusKita-Programm 45 Mio.
Euro pro Kita-Jahr zur Verfügung.
Soziale und emotionale Armut hat
nicht nur mit Geldmangel, sondern auch
mit Bildung zu tun. Hier setzt die plus-
Kita an – und zwar nicht nur bei den
Kindern. Auch die Eltern werden gezielt
in die Kita-Arbeit eingebunden.
„Wir
zeigen, wie sie mit ihren Kindern Bücher
anschauen und gemeinsam in Geschichten
eintauchen können“, erklärt Irmhild Fig-
gen. Jeden Freitagmorgen gibt es in der Ki-
ta ein Elterncafé. Da wird in zwangloser
Runde besprochen, wo es Probleme gibt.
Das können Erziehungsfragen oder auch
Schwierigkeiten in Behördenangelegen-
heiten sein. Kostengünstige und gesunde
Ernährung ist ebenfalls stets ein wichtiges
Thema. Regelmäßig stehen auch Ausflüge
auf dem Programm, die die Kinder zuhau-
se meist nicht erleben können, etwa zum
Clemens-Sels-Museum, zur Kletterhalle
Kaarst oder zum Schlittschuhlaufen.
Transparenz ist das Aund O. „Wir erklä-
ren den Eltern, was wir machen und wa-
rum wir es machen“, betont Irmhild Fig-
gen.
„Es reicht nicht, wenn wir nur die
Kinder fördern. Wir müssen die Eltern
mit einbeziehen – sie sind schließlich die
Experten ihrer Kinder.“
Kindertagesstätte und
Familienzentrum Sonnenschein
Irmhild Figgen
Bockholtstraße 51, 41460 Neuss
Tel.. 02131 548241
dem Durchschnitt der Stadt Neuss. „Min-
destens 80 Prozent der Kinder im Barbara-
viertel wachsen in Armut auf“, schätzt
Irmhild Figgen. Die meisten Eltern stecken
selbst zurück, um ihren Kindern einen
guten Start zu ermöglichen. Die Kita hilft
auf ihre Weise: So gibt es ein Regal, in das
Eltern Kinderkleidung abgeben können,
aus der der Nachwuchs herausgewachsen
ist. Andere Eltern, die dafür Verwendung
haben, können sich die Kleidung kom-
mentarlos und kostenlos mitnehmen.
Sorge macht Irmhild Figgen vor allem
die emotionale Armut, in der viele Kin-
Foto: Peter Wirtz, Dormagen
Schwerpunkt
Kinderarmut
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