caritas aktuell - Ausgabe 02/2015 - page 10

caritas
aktuell
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den, Kirchengemeinden und sozialen
Einrichtungen.
Anstöße für Erweiterungen des Ange-
bots kamen oft mitten aus dem Leben. So
berichtet Döring von einer Klientin, einst
alkoholabhängig und dann lange Jahre tro-
cken, die eines Tages auf der Matte stand
und um Hilfe bat. Nicht wegen eines Alko-
hol-Rückfalls: Sie hatte 120.000 D-Mark
geerbt – ein Jahr später waren daraus 20.000
Mark Schulden geworden. Die Frau er-
zählte, wie sie nachts wach lag und den un-
stillbaren Drang spürte, am Geldautomaten
zu zocken. Manchmal zog sie Jeans und
Mantel über den Schlafanzug, um mitten
in der Nacht in die nächste Spielhalle zu
gehen. Das war klassisches Suchtverhal-
ten, obwohl Spielsucht im heutigen Sinne
Wer eine Suchthilfeeinrichtung heute
für etwas Selbstverständliches hält, soll-
te einmal mit Reinhard Döring plau-
dern. Er war einer der Pioniere der Sucht-
beratung im Rhein-Kreis Neuss.
1977
kam er zur damaligen „psychosozialen Be-
ratungsstelle“, die 1975 mit Franz Kivilip
als „One-Man-Show“ ihre Arbeit aufge-
nommen hatte. Erst sieben Jahre zuvor hat-
te das Bundessozialgericht in einem Grund-
satzurteil Alkoholismus als Krankheit an-
erkannt. Vorher – und noch lange danach –
galten Betroffene als „willenlose Säufer“,
erinnert sich Döring an die Anfänge.
Dö-
ring und Kivilip verrichteten in jeder
Hinsicht Grundlagenarbeit. Oft unkon-
ventionell und improvisiert leisteten sie
einerseits Hilfe für Betroffene und an-
dererseits Aufklärungsarbeit in Behör-
Ein starker Baum mit vielen Ästen
Vierzig Jahre Fachambulanz für Su
noch gar nicht bekannt war. Döring und
Kivilip handelten: „Wir haben in Neuss
eine Glücksspielberatung als Vorreiter für
ganz Deutschland aufgebaut.“ Die Begeg-
nung mit einer weiteren ehemaligen Klien-
tin, die in kurzer Zeit 45 Kilo abgenommen
hatte, gab den Impuls, ein Angebot im
Bereich Essstörungen aufzubauen.
Diese Grundlagenarbeit bereitete den
Boden. Darauf ist ein kräftiger Baum
mit vielen starken Ästen und noch mehr
Verzweigungen geworden, sagte Dirk
Jünger, Dörings Nachfolger als Leiter
der „Fachambulanz für Suchtkranke“,
wie sie heute heißt. In den letzten 20
Jahren hat sich ein breit gefächertes Hilfs-
und Beratungsangebot für Alkohol-,
Drogen- und Medikamentensucht sowie
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