caritas aktuell - Ausgabe 03/2016 - page 4

Als Halil (Name geändert)
im Februar 2016 aus dem sy-
rischen Bürgerkrieg in eine
bessere Zukunft aufbrach,
begleiteten ihn viele Hoffnun-
gen. Nur seine Familie beglei-
tete ihn nicht.
Seine Frau und
die beiden Kinder blieben zu-
rück. Das Geld, das die Familie
zusammengekratzt hatte, reich-
te nicht, um allen die Flucht zu
ermöglichen. Darumwollte Halil
seine Lieben so schnell wie
möglich nachholen. Im April
kam er nach schwierigem
Fluchtverlauf in Deutschland an.
Umgehend bemühte sich Ha-
lil um die Familienzusammen-
führung. Vergebens. Die Familie
bleibt getrennt. Während Frau
und Kinder 3.000 Kilometer
weit weg um ihr Überleben
3.000 Kilometer zwischen
Hoffnung und Verzweiflung
kämpfen, kann Halil nur taten-
los in einer Flüchtlingsunter-
kunft warten.
Halil ist Opfer einer neue-
ren Rechtslage in Deutsch-
land. Er genießt „subsidiären
Schutz“ nach Paragraf 4 des
Asylgesetzes. Diese Schutzform
wird gewährt, wenn dem Be-
troffenen in seinem Heimat-
land Lebensgefahr, Todes-
strafe oder Folter drohen.
Wurde einem Geflüchteten
dieser Schutzstatus zuerkannt,
konnte er bis vor kurzem rela-
tiv schnell einenAntrag stellen,
seine Familie nach Deutsch-
land zu holen. Diese Regelung
galt auch noch, als Halil in
seiner Heimat aufbrach.
Doch am 17. März 2016 än-
derte sich die Rechtslage. An
diesem Tag trat das Asylpa-
ket II in Kraft. Das vom Bun-
destag beschlossene Gesetzes-
paket hatte unter anderem ei-
ne Beschleunigung der Asyl-
verfahren bestimmter Grup-
pen von Asylbewerbern zum
Ziel. Und es sieht vor, dass
der Familiennachzug für Ge-
flüchtete, die den subsidiären
Schutz genießen, für zunächst
zwei Jahre ausgesetzt wird.
Das heißt, dass Personen, de-
nen der subsidiäre Schutz zuer-
kannt wird, bis zum 16. März
2018 keinen Antrag auf Fami-
liennachzug stellen können. Bis
die Familie dann tatsächlich
sicher in Deutschland ankom-
men kann, werden nochmals
mehrere Monate vergehen.
Nicht nur für Halil ist das ei-
ne Katastrophe. „Wir betreuen
viele Flüchtlinge, die in der
gleichen Situation stecken“,
erklärt Agnes Pietrowski, Leite-
rin des Caritas-Fachdienstes für
Integration und Migration
(FIM). Sie leben in permanen-
ter Angst um ihre Angehörigen,
sollen sich aber gleichzeitig in
Deutschland integrieren. Die
Behörde verlangt die Teilnah-
me an Integrationskursen, das
Sozialamt braucht den Platz in
der Unterkunft für neue Flücht-
linge.
„Es ist, als würde man in jede
Richtung vor eine Wand ren-
nen“, sagt Katharina Gehring,
Flüchtlingsberaterin beim FIM.
„Viele sind deprimiert und re-
signiert.“ In ihrer Verzweiflung
entscheiden sich manche
Schutzsuchende, wieder in ihr
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