caritas
aktuell
3/ 2015
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Die frische Windel war’s auch nicht. Das
Baby schreit weiter. Chiara (Name geän-
dert) versucht es mit dem Fläschchen. Eben-
falls kein Erfolg. Sie wiegt das Baby sanft
imArm. Das Kreischen wird lauter. Chiara
wird nervös – da kommt der rettende Tipp
von Anna Pigorsch: Das Bäuerchen fehlt.
Chiara nimmt das Kind an die Schulter,
klopft ihm sanft auf den kleinen Rücken –
und schon kommt das erlösende Geräusch.
Zufrieden glucksend schläft das Baby ein.
Für Chiara war das ein echter Stresstest:
„Ich schwitze“, schmunzelt sie. Chiara ist
15 – und noch keine echte Mutter. Zusam-
men mit zehn Klassenkameradinnen sitzt
sie in einer Runde und übt, wie es ist, Mut-
ter zu sein.
„Babybedenkzeit“ ist ein El-
ternpraktikum, das die Caritas-Schwan-
gerschaftsberatungsstelle esperanza der-
zeit an weiterführenden Schulen in Gre-
venbroich anbietet. Es geht darum, Mäd-
chen realistische Einblicke ins Mutter-
Sein zu geben. Dafür sorgen Babysimu-
latoren, die nur auf den ersten Blick wie
ganz gewöhnliche Puppen ausstehen.
Die Simulatoren sind so groß und so
schwer wie ein zwei Monate altes Baby.
Und sie sind vollgestopft mit Technik
und Sensoren.
Der Simulator erfasst und
zeichnet alles auf, was das „Baby“ an Zu-
wendung erfährt oder eben nicht erfährt:
Wenn die Windel nicht gewechselt, das
Fläschchen nicht gegeben oder der Kopf
beim Hochheben nicht abgestützt wird,
gibt’s Geschrei. Das fängt harmlos an,
kann sich aber zu einem markerschüttern-
den Brüllanfall steigern, wenn die „Mutter
auf Probe“ nicht das Richtige tut.
„Wir möchten den Schülerinnen die
Möglichkeit geben, später einmal eine re-
flektierte Entscheidung zu treffen: Wann
fühle ich mich bereit für ein Kind? Wann
passt es in mein Leben? Bin ich der Auf-
gabe gewachsen?“, erklärt Anna Pigorsch,
die das Projekt bei esperanza durchführt.
Das Ganze ist kein Crashkurs, der in ein
paar Stunden erledigt ist: Die Teilneh-
merinnen müssen den Babysimulator
mehrere Tage lang versorgen – natürlich
auch nachts, denn da schreien Babys be-
kanntlich besonders gern. Abschalten ist
nicht möglich – genau wie im richtigen
Leben.
Nur während der Schulzeit gehen
die Babysimulatoren bei Anna Pigorsch in
„Tagespflege“.
Immeist vier- bis fünftägigen Projekt Ba-
bybedenkzeit geht es nicht nur um die Ver-
sorgung des Kindes, sondern auch um das
Drumherum: Was passiert in einer Schwan-
gerschaft? Was brauchen Kleinkinder?
Wieviel Zeit und Geld „kostet“ ein Baby?
Wie möchte ich mein Leben gestalten, Fa-
milie und Beruf in Einklang bringen? Wel-
che Auswirkungen habenAlkohol, Zigaret-
ten oder Drogen während der Schwanger-
schaft auf das ungeborene Kind? Auch die-
se Fragen werden erörtert.
Gerade junge Mädchen haben oft ei-
nen romantisierten Blick auf das Thema
Nachwuchs, weißAnna Pigorsch. Natür-
lich sind Babys süß und wundervoll.
Aber ein Baby zu haben, bedeutet eben
auch, Verantwortung zu tragen, Stress
auszuhalten, Geduld aufzubringen, klei-
ne Krisen zu überstehen und in schwie-
rigen Situationen die Ruhe zu bewah-
ren. Dies zu vermitteln, ist Ziel von Ba-
bybedenkzeit.
Dass dabei auch grundle-
gende Fähigkeiten im Umgang mit einem
Baby vermittelt werden, ist ein Nebenef-
fekt, der für die spätere Familiengründung
durchaus erwünscht ist.
Wie es sich anfühlt, ein Baby auf dem
Arm zu haben? Chiara ist nachdenklich:
„Schön – aber auch schwierig.“
Mutter auf Probe
esperanza
Projekt Babybedenkzeit
Anna Pigorsch
Tel. 02181/8199212
Präventives Projekt mit
starken Partnern
„babybedenkzeit-Das Realcare El-
ternprogramm“ wird als präventives
Projekt unter Mitwirkung der Caritas-
Suchtkrankenhilfe durchgeführt und
vom Jugendamt der Stadt Greven-
broich, dem Jugendförderverein Gre-
venbroich und dem Diözesan-Caritas-
verband für das Erzbistum Köln e.V.
unterstützt.