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KOMPAKT 2/2015
I M P U L S E
Wen lädt man alles ein?
Ob das Kind dieses Jahr nicht einmal
alle beeindrucken soll? Warum nicht?
Man könnte einen Zauberer engagie-
ren. Immerhin ist es schon der fünfte
Geburtstag! Sackhüpfen?! Eierlauf?!
Das war doch letztes Jahr! Feiert man zu
Hause? Oder soll man gleich ein Halle
mieten?Wie viele Gäste kommen denn?
Das Kind hat zwar auf diese Frage hin
nur fünf Namen genannt. Aber es kann
ja auch nicht – naiv wie es noch ist – um
die sozialenVerpflichtungen wissen.Und
die eigentlich so wunderbare, alte Regel
„So viele Kinder wie das Kind alt wird“ ist
wohl absolut nicht mehr mit demwahren
Leben vereinbar:
Dawären zunächst dieKinder,dieman
einladen sollte, weil das eigene Kind dort
ebenfalls geladen war. Zumindest gehört
sich das doch so,oder?! Und natürlich soll-
ten auch diejenigen nicht fehlen,mit denen
sich das Kind vielleicht zukünftig einKlas-
senzimmer teilt oder deren Mütter man
vomKinderturnen kennt. Schließlich hat
man eine Fahrgemeinschaft miteinander.
„Kontakte pflegen“ heißt die Devise.Das
wird das Kind dann schon lernen – ler-
nen müssen! Richtig, der Nachbarsjunge,
den hätteman fast vergessen.Undenkbar!
Oder? Huch, schon zwölf Kinder bis hier
her ... so weit, so gut.
Jetzt nur noch die fünf vomKind vor-
geschlagen und bis jetzt noch gar nicht
auf der Liste erfassten Kandidaten. Das
macht zusammen 14 (drei Kinder haben
– dem Herrn sei Dank – mehrere Krite-
rien erfüllt). Dazugezählt noch flugs die
Mütter, deren Sprösslinge immer noch
nicht alleine bleiben wollen – und selbst-
verständlich die kleinenGeschwister.Und
last but not least (hofft man wenigstens)
das Geburtstagskind höchstpersönlich.
Das sind also ca. 20 Personen insgesamt
... Oh weh!! Zu Hause feiern?! Scheitert
definitiv! Entweder an den Räumlichkei-
ten oder an der Menge benötigter Stühle.
Auch der Ehemann streikt: Als er fünf
wurde, sei „lediglich die Oma gekommen
undhabe ihmSchokozigarettenvomBahn-
hofs-Büdchen mitgebracht. Das war ein
Highlight!“ Offensichtlich hat also nicht
nur das Kind keinen blassen Schimmer
von den modernen sozialen Reglements!
Eltern im Wettkampf miteinander
Elternschaft – sie hat auch ein bisschen
was von Wettkampf. Das Kind soll sich
nicht schämen müssen für seine farblo-
sen Eltern. Man möchte auf gar keinen
Fall hinter die anderen zurückfallen und
so sucht man nach möglichst erlebnisrei-
chenAttraktionen.Und die gibt es zuhauf.
Ein „Highlight“? Das sieht heute anders
aus: Warum nicht eine Gokartbahn mie-
ten? Oder ein unvergessliches Geburts-
tagsevent im Freizeitpark buchen? Eine
Sternwarte, das wäre es doch! Schließlich
soll die Party amWochenende starten – da
habenEltern dochKapazitäten frei! Kann
man hier nicht etwas Solidarität erwarten?
Ist es etwa zu viel verlangt, dass ein Teil
der Eltern an einem freienTag eben kurz
mal über die Autobahn düst? Möglichst
als Fahrgemeinschaft – mit sechs Kindern
an Bord. Es sind doch nur 25 km! Also
bitte! Geburtstage gibt es natürlich auch
in „Öko“,dennBauernhöfe undReitställe
haben sie längst in ihrAngebotsportfolio
aufgenommen. Das kommt – besonders
bei den Eltern – immer gut an!
Wir überschlagen uns, um unsere Kin-
der glücklich zu machen. Und möchten
dabei auch selbst gut aussehen.Vielleicht
sind wir es ja, die diese fantastischen Kin-
derpartys brauchen, um später einmal sa-
gen zu können, wir hätten alles gegeben.
Warumaber nicht einmal versuchen,gegen
bestehende Trends anzufeiern?
Wie war das noch: „Weniger ist …“?
Weniger ist mehr
Reicht eine kleine Schatzsuche imGarten
oder Verstecken spielen in den eigenen
vier Wänden kleinen Kindern vielleicht
aus? Spielen Kinder nicht am allerliebs-
ten frei?Erkunden neugierig unbekanntes
Terrain? Sind sie nicht gespannt auf das
Kinderzimmer desGeburtstagskindes und
jubeln begeistert, wenn dort eineVerklei-
dungskiste steht? Vielleicht macht eine
kleine Modenschau mit Musik und Jury
den Kleinen sogar mehr Freude als wir es
uns vorstellen können. Es mag derTraum
des einen oder anderen Kindes sein, den
Hund, die Katze oder das Kaninchen des
Geburtstagskindes zu streicheln.
Kinder präsentieren auch stolz einen
Singkreis – mit in der Kita gelernten Lie-
dern. Sie bemalen voller Hingabe Oster-
eier oder stechen mit Liebe Plätzchen aus
– und das auch noch völlig ungeachtet der
Jahreszeit.Und das „Highlight“ desTages:
Chips & Fanta! Es sind doch die kleinen
Dinge, die im Leben zählen. Weniger ist
mehr? Probierenwir es einfach aus! Und?!
Wer traut sich zuerst?
D R . C H R I S T I A N E V O N M Y R O W
Mutter eines Kindes in der Kita
St. Aldegundis, Kaarst
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