strassen|feger - Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz - page 7

Sonderausgabe
Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz
7
„Ich will keine Bittstellerin mehr sein“
Christina Alexandra Wolff (45) aus Wuppertal,
alleinerziehende Mutter zweier Kinder
H
artz IV bekomme ich, seit es 2005 eingeführt
wurde. Es ist nicht leicht auf dem Arbeitsmarkt,
wenn man einen Sohn hat, der unter ADHS lei-
det und deswegen viel Aufmerksamkeit benötigt. Da sind
viele Arbeitgeber nicht besonders flexibel, wenn sie hören,
dass ich es wegen der Krankheit meines Sohnes häufiger
nicht zur Arbeit schaffen würde. Aber ich bin ganz froh,
dass es Ein-Euro-Jobs gibt, da bleiben Leute wie ich nicht
ganz auf der Strecke und können etwas tun, auch wenn es
natürlich schlecht bezahlt ist.
Natürlich wünsche ich mir, dass mein Sohn die Schu-
le gut schafft und es ihm gelingt, auf eigenen Beinen zu
stehen. Dann könnte ich auch wieder Arbeit finden und
wäre nicht mehr vom Jobcenter abhängig. Ich könnte
meinen Kindern und mir ein paar Wünsche erfüllen und
müsste mich nicht jedes Mal wie eine Bittstellerin fühlen,
wenn ich Geld brauche. Natürlich wollen meine Kinder auch
mal schwimmen gehen oder ein Eis essen. Aber das ist jedes Mal
schwierig, und ich schaue genau, ob ich es mir leisten kann.
Meine Tochter wohnt noch bei mir und macht eine Aus-
bildung, ihr Lohn wird aber auf meine Hartz-IV-Bezüge ange-
rechnet – und nun wurden mir alle Leistungen außer Miete und
Strom gestrichen. Ich habe das, ehrlich gesagt, gar nicht gewusst
und war geschockt, als ich das erfahren habe.
Was ich mir wünsche? Bessere Perspektiven für meine Kinder.“
„Endlich wieder als Tischler arbeiten – das ist mein Traum“
Marcus Schmidt* (38) aus Wuppertal,
Vater zweier Kinder
„Als Tischler ist es nicht einfach, einen passenden Job
zu finden. Die großen Möbelfirmen zerstören den Markt,
richtiges Handwerk hat da kaum noch eine Chance. Ich
lebe deshalb schon seit dreieinhalb Jahren von Hartz IV
und komme so gerade über die Runden.
Aktuell habe ich einen Ein-Euro-Job an der Wupper-
taler Bahnhofsmission. Ich hatte gehofft, bis zum Ende
der Maßnahme wieder eine feste Arbeitsstelle zu finden,
doch das klappt wohl nicht. Die Maßnahme ist schon in
der Verlängerung.
Am schlimmsten ist, dass wir keinen Urlaub machen
können. Dafür müssten wir jahrelang sparen. Vor allem
für die Kinder – sie sind neun und elf Jahre alt – tut es mir
Leid. Sie sehen, wie ihre Freunde verreisen und können
es selbst nicht. Ich würde ihnen auch gern noch andere
Wünsche erfüllen – aber wie soll ich das machen?“
*Name geändert
BETROFFENENBERICHTE
Annette Etges
Annette Etges
1,2,3,4,5,6 8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,...28
Powered by FlippingBook