caritas
        
        
          
            aktuell
          
        
        
          3/ 2015
        
        
          
            4
          
        
        
          Den Kontoauszug hat sich Oliver
        
        
          Schmeier eingerahmt. Er zeigt schwarz auf
        
        
          weiß, dass der 44-Jährige es geschafft hat.
        
        
          Ein vierstelliger Betrag steht da als Zah-
        
        
          lungseingang. Das erste selbst verdiente
        
        
          Geld nach mehr als sechs JahrenArbeitslo-
        
        
          sigkeit. Kein Hartz IV mehr. „Das war pu-
        
        
          res Glücksgefühl“, sagt Schmeier. Er ist
        
        
          heuteWerkstattleiter der Caritas-Radstation
        
        
          Neuss. Erst vor wenigen Wochen hat er ei-
        
        
          nen unbefristetenArbeitsvertrag unterschrie-
        
        
          ben. Schmeiers Beispiel macht Mut – und
        
        
          es zeigt, dass das Hilfenetzwerk im Caritas-
        
        
          verband und im Rhein-Kreis funktioniert.
        
        
          
            Schmeiers Weg war hart. Er hat das
          
        
        
          
            volle Programm durchlitten. Vor zehn
          
        
        
          
            Jahren verlor er seinen Job als Bau-
          
        
        
          
            maschinenführer. Das setzte eine rasant
          
        
        
          
            drehende Abwärtsspirale in Gang.
          
        
        
          
            Schmeier fand keine Arbeit. Die Ehe
          
        
        
          
            ging in die Brüche.
          
        
        
          Schulden, Alkohol
        
        
          und Depressionen folgten. Schlimm waren
        
        
          die Abende und der nagende Gedanke:
        
        
          Was ist morgen? Manchmal trank er eine
        
        
          halbe Kiste Bier, um die Langeweile, die
        
        
          Selbstzweifel und die Hoffnungslosigkeit
        
        
          zu betäuben.
        
        
          Den ersten Schritt in Richtung Ausweg
        
        
          geht er bei Birgit Herrmann
        
        
          von der Caritas-Fach-
        
        
          ambulanz für Sucht-
        
        
          kranke. Er macht ei-
        
        
          ne ambulante The-
        
        
          rapie – jede Woche
        
        
          eine Gruppensitzung
        
        
          und ein Einzelgespräch.
        
        
          „Ich bin wieder klarer ge-
        
        
          worden“, sagt Schmeier. Seit der Therapie
        
        
          trinkt er keinen Alkohol mehr. Über das
        
        
          Jobcenter bekommt er eineArbeitsgelegen-
        
        
          heit in der Caritas-Radstation – ein 1,50-
        
        
          Euro-Job. Das machte 150 Euro imMonat,
        
        
          zusätzlich zum Hartz IV-Satz. 150 Euro –
        
        
          wenig zum Leben, aber viel fürs Selbst-
        
        
          wertgefühl. „Das Geld“, sagt Schmeier
        
        
          heute, „war uninteressant. Für mich war es
        
        
          viel wichtiger, wieder eine Tagesstruktur
        
        
          haben, das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun
        
        
          und gebraucht zu werden.“
        
        
          Zurück ins Leben
        
        
          
            Als Oliver Schmeier vor vier Jahren
          
        
        
          
            seine Arbeitsgelegenheit antritt, muss er
          
        
        
          
            alles neu lernen: Pünktlichkeit, Ordnung,
          
        
        
          
            Zuverlässigkeit. Es gibt auch Rückschlä-
          
        
        
          
            ge – aber Schmeier lässt sich nicht hän-
          
        
        
          
            gen, und das Team der Radstation lässt
          
        
        
          
            ihn nicht fallen.
          
        
        
          In der Radstati-
        
        
          on findet er das Umfeld das er
        
        
          braucht: einen geschützten
        
        
          Raum, in dem es familiär
        
        
          zugeht, in dem er sich wert-
        
        
          geschätzt fühlt und in dem er
        
        
          (nicht nur) in kritischen Phasen
        
        
          immer einen Ansprechpartner hat.
        
        
          Nach einem halben Jahr endet die Ar-
        
        
          beitsgelegenheit. Doch Schmeier kann in
        
        
          der Radstation bleiben. Über das Projekt
        
        
          EMAS (inzwischen „Open House“) wird
        
        
          seine Beschäftigungsmaßnahme verlängert
        
        
          – inAbsprache mit dem Jobcenter, das ihm
        
        
          eine gute Perspektive attestiert. Nun nimmt
        
        
          ihn Wilma Sadowski vom Caritas-Fachbe-
        
        
          reichArbeit + Beschäftigung unter ihre Fit-
        
        
          tiche. Einmal pro Woche treffen sich beide
        
        
          zum Gespräch: Wie läuft’s? Was lässt sich
        
        
          verbessern? Schmeier schafft die ersten
        
        
          Acht-Stunden-Tage. Er baut Vertrauen auf –
        
        
          bei sich selbst und bei seinenAnleitern. Der
        
        
          damalige Werkstattleiter bringt ihm viel
        
        
          bei. Über einAnschlussprogramm des Job-
        
        
          centers bekommt Schmeier eine auf zwei
        
        
          Jahre befristete Festanstellung mit Sozial-
        
        
          versicherung in der Radstation. Eine 39-
        
        
          Stunden-Woche. Das erste richtige Geld.
        
        
          Der eingerahmte Kontoauszug. „Das war
        
        
          eine Riesenchance“, erinnert sich Schmeier.
        
        
          Er kniet sich noch mehr rein. Sucht und be-
        
        
          kommt Verantwortung. Absolviert Semi-
        
        
          nare, wird Fachanleiter.
        
        
          
            Heute leitet Schmeier dieWerkstatt der
          
        
        
          
            Radstation Neuss, die ihm vor vier Jah-
          
        
        
          
            ren den Neustart ermöglichte. Er betreut
          
        
        
          
            Menschen, die in einer ähnlichen Prob-
          
        
        
          
            lemlage stecken, aus der er selbst dank
          
        
        
          
            der Hilfe des Caritas-Netzwerks heraus-
          
        
        
          
            gefunden hat. Er spricht offen und auf
          
        
        
          
            Augenhöhe mit den Klienten. Die respek-
          
        
        
          
            tieren ihn, weil er glaubwürdig ist. Weil
          
        
        
          
            er weiß, was es heißt, arbeitslos zu sein.
          
        
        
          
            Und weil er weiß, wie man es zurück ins
          
        
        
          
            Leben schaffen kann.
          
        
        
          
            Schwerpunkt
          
        
        
          
            Arbeitgeber
          
        
        
          
            Caritas