KOMPAKT 1/2015
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I M P U L S E
„Das wichtigste ist, auch in das Zelt hi-
neinzugehen!“, antwortet Leonie auf die
Frage: „Was ist wohl das wichtigste in der
Geschichte, die wir gerade gesehen ha-
ben?“ Leonie ist 5 Jahre alt,Vorschulkind
in einer Neusser Kindertagesstätte und
hat gerade eine Godly Play Geschichte
gesehen.Diese trägt denTitel „Die Stifts-
hütte und das Zelt der Begegnung“. Der
Hintergrund der Geschichte sind einige
Kapitel aus dem Buch Exodus aus dem
Alten Testament, in denen beschrieben
ist, wie sich ein Mensch vorbereiten soll,
um die Stiftshütte, den Aufbewahrungs-
ort der Steintafeln mit den 10 Geboten,
die in der Bundeslade liegen, betreten zu
können . Leonie hat klar erkannt, dass
es nicht genügt, sich auf eine Begegnung
mit Gott nur vorzubereiten, wenn dann
das Entscheidende fehlt: das eigentliche
Zusammentreffenmit Gott.Das Gesamt-
konzept von Godly Play konnte Leonie
darin unterstützen, selber zu dieser wich-
tigen Erkenntnis zu kommen.
Gott im Spiel
Godly Play, man könnte es übersetzen
mit „Gott im Spiel“, ist eine ökumenische
religionspädagogische Methode, die von
Jerome Berryman entwickelt wurde. Je-
rome Berryman wurde 1937 in Ashland,
Kansas (USA) geboren, ist Priester der
Episkopalkirche und Leiter des „Center
for the Theology of Childhood“ in Hous-
ton, Texas (USA). Im Anschluss an sein
Theologiestudium studierte er 1972Mon-
tessoripädagogik in Italien. Nach seiner
Rückkehr in die USA adaptierte er seine
religionspädagogischenEntdeckungen aus
Europa in seinen eigenen amerikanischen
Kontext. So entstand ein sehr detailliertes
Konzept für die Sonntagschularbeit seiner
Godly Play
–
Hilf mir, Gott selbst zu entdecken!
Hilf mir, es selbst zu tun – Maria Montessori
Kirche, dass mittlerweile weltweit, auch
in katholischen Pfarreien und Bistümern
angewendet wird.ÜberGroßbritannien ist
Godly Play nun auch in Deutschland an-
gekommen und wird in Kindergärten und
Schulen,in der Sakramentenkatechese,der
Erwachsenenbildung und der Seniorenar-
beit eingesetzt. Der ökumenische Verein
„Godly PlayDeutschland“ unterstützt die
Weiterentwicklung und dieAdaptionen in
den deutschen Kontext, unter anderem
durch die Entwicklung neuer Geschichten
und Materialien.
Ziel vonGodly Play ist, die geistliche Ent-
wicklung der Kinder zu fördern. Kinder
sind nicht einfach leereGefäße, die darauf
warten, von Erwachsenen mit ihremWis-
sen und ihren Erfahrungen gefüllt zu wer-
den.Das gilt natürlich auch für denBereich
der Religionspädagogik. Kinder machen
immer wieder existentielle Erfahrungen.
Sie sind konfrontiert mit Einsamkeit, dem
Tod, der Erfahrung, dass Freiheit Grenzen
hat. Godly Play will ihnen helfen, diese
Erfahrungen zu verarbeiten und dafür ei-
nen sprachlichen und kreativenAusdruck
zu finden. Die Begegnung mit biblischen
Geschichten und das Erschließen litur-
gischer Feste und Vollzüge ist dafür eine
Grundlage.
Das gelingt durch ein besonderes Zeit-
und Raumkonzept, liebevoll gestaltetes
Material und eigens vorbereitete Spiel-
und Erzählabläufe.
Raum und Zeit
Idealerweise findet Godly Play in einem
eigenenGodly Play Raum statt.Dieser ist
so eingerichtet, dass sich in niedrigen Re-
galen das Material zu allen vorhandenen
Einheiten des Curriculums befindet. Die
Anordnung der Regale und des Materials
ist aber nicht zufällig. Hinter der Erzäh-
lerin steht das so genannte „Fokusregal“.
Dort befindet sich neben Material zum
Kirchenjahr vor allem eine Krippendar-
stellung, die so genannte „Heilige Fami-
lie“. Das klassische Figurenensemble ist
aber ergänzt durch die Figur eines aufer-
standenen Christus, der seine Arme weit
geöffnet hat. So soll verdeutlicht werden,
dass alleGeschichten auf demHintergrund
von Menschwerdung und Auferstehung
Jesu erzählt werden. Nach dem Fokusre-
gal folgen Regale mit liturgischen Einhei-
ten und dann kommen die so genannten
Glaubensgeschichten. Dabei handelt es
sich vor allem um Erzählungen aus dem
Ersten (Alten) Testament.Darauf folgen
Gleichnisse aus demZweiten (Neuen)Tes-
tament und darauf dann liturgische Ein-
heiten aus demBereich des Kirchenjahres
oder der Sakramente. Schließlich folgen
Regale mit Kreativmaterial und der Kreis
schließt sich. So entsteht für die Kinder in
diesemRaumeine begeh- und imwahrsten
Sinne begreifbare Bibel!
Ein eigener Raum, eigenes, kostbares
Material: Das drückt Respekt undWert-