caritas
aktuell
2/ 2016
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Rund 1500 Bürger engagieren sich im
Rhein-Kreis Neuss ehrenamtlich für
Flüchtlinge. Das ist eine beeindruckende
Zahl, die für Solidarität und Mitmensch-
lichkeit steht. Doch um sinnvoll und wir-
kungsvoll helfen zu können, brauchen
auch die Helfer Hilfe. Mit Idealismus al-
lein ist es nicht getan.
Denn die Problem-
lagen, mit denen sich Flüchtlinge – und
damit auch die Helfer – konfrontiert sehen,
sind komplex. Da sind sprachliche Barrie-
ren und kulturelle oder religiöse Unter-
schiede, die das Ankommen und Zurecht-
finden in unserer Gesellschaft erschweren.
Da sind bürokratische Hemmnisse, zum
Beispiel bei der Wohnungs- undArbeitssu-
che. Da sind womöglich traumatische Er-
fahrungen, die nicht erkannt und/oder nicht
aufgearbeitet sind: Männer, die gefoltert
wurden. Frauen, die sexuelle Gewalt erlei-
den mussten. Kinder, die die Gräuel eines
Krieges erlebt haben.
Das kann auch für die Helfer emotio-
nal schwierig und belastend sein. Darum
bieten die Gemeindecaritas und der Ca-
ritas-Fachdienst für Integration und Mi-
gration (FIM) Ehrenamtlichen kreisweit
Gruppen-Supervisionen an. Unter Be-
gleitung durch einen professionellen Su-
pervisor erhalten die Teilnehmer Unter-
stützung bei der Reflexion ihrer ehren-
amtlichen Arbeit.
Unterstützt wird dieses
sinnvolle Angebot durch das Erzbistum
Köln, aber auch durch Fachkräfte, die sich
auf diese Weise in der Flüchtlingshilfe eh-
renamtlich einbringen. Dabei geht es um
Fragen wie: Wie gehe ich damit um, wenn
Flüchtlinge über ihre belastenden Erfah-
rungen in der Heimat und/oder Flucht er-
zählen? Wie grenze ich mich ab? Wie gehe
ich mit Überforderung und Stress um? Wie
kann ich die eigene Rolle kreativ gestalten
und weiterentwickeln? Wie kann ich Team-
konflikte bewältigen und deeskalierend
wirken? Regelmäßige Supervisions-Ter-
mine stellen sicher, dass das Gelernte ver-
tieft wird und nachhaltig wirksam bleibt.
„Viele sind im letzten Jahr recht unbe-
darft in das Thema Ehrenamt gestartet“,
weiß Dorota Hegerath. Um die enorme
Hilfsbereitschaft wirkungsvoll zu bündeln
und einzusetzen, hat die FIM-Mitarbeiterin
die Koordination der ehrenamtlichen
Flüchtlingshilfe im Rhein-Kreis übernom-
men.
„Dabei hat sich schnell gezeigt, dass
die Ehrenamtler Unterstützung benöti-
gen. EntsprechendeWünsche sind immer
wieder an uns herangetragen worden.
Seit Anfang 2016 bieten wir in Koope-
ration mit diversen Fachdiensten, Netz-
werkpartnern und Akteuren im Rhein-
Kreis Neuss Schulungen und Info-Aben-
de für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer
an“, sagt Dorota Hegerath.
Das Themenspektrum dieser Angebote
ist breit gefächert. Ein Wunsch aus dem
Kreis der Ehrenamtler war zum Beispiel,
mehr über das Phänomen Trauma zu erfah-
ren, um die Situation von betroffenen
Flüchtlingen besser einschätzen und ein-
ordnen zu können. Darüber hinaus gibt es
Seminare zum Thema Grenzverletzungen
– hier geht es auch um drastische Ereignis-
se wie in der Kölner Silvesternacht, vor
allem aber um alltägliche Konflikte, die
sich aus interkulturellen Missverständnis-
sen entwickeln können.
In ähnlichem Kontext werden zudem
Deeskalations- und Sozialkompetenztrai-
nings angeboten. Die Schulung zum „For-
mular-Coaching“ richtet sich an Ehrenamt-
ler, die Flüchtlingen helfen, die bürokrati-
schen Hürden bei der Integration zu meis-
tern, etwa wenn es um das Ausfüllen von
Formularen und Anträgen sowie um Kon-
takt zu Behörden geht. Das Seminar zur
„Kunst des Helfens“ vermittelt Wissen
zum achtsamen Umgang mit Flüchtlingen,
aber auch mit sich selbst.
Auch Helfer
brauchen Hilfe